Swakopmund

Die nächsten zwei Tage werden wir grĂ¶ĂŸtenteils auf der StraĂŸe sein, weil wir nun den Norden des Landes erkunden wollen, auch auf der Suche nach grĂ¶ĂŸeren Wildtieren, die es im SĂ¼den aufgrund des Wassermangels einfach nicht gibt. Wir brechen auf von Ai Ais, Ă¼bernachten in der Nähe von Mariental und fahren dann weiter nach Swakopmund. Dies fasse ich kurz zusammen und schmĂ¼cke es nur mit ein paar Beobachtungen und Gedanken aus.

Es gibt einige Orte auf unserem Weg, welche sehr arm sind und mich eher an den Weg vor zwei Jahren vom Flughafen in Kapstadt in die Stadt erinnern. Rosh Pina im SĂ¼den ist einer davon, aber auch zum Beispiel in Ketmannskop stehen mehr WellblechhĂ¼tten als richtige Häuser. Aufgrund der Tatsache, dass sich hier keine SatellitenschĂ¼sseln auf den HĂ¼tten befinden kann man auch schlieĂŸen, dass sie wahrscheinlich gar keinen Stromanschluss und somit wohl kein Wasser haben. Die Leute lungern ein StraĂŸenkreuzungen herum und sind irgendwie auf der Suche nach ein wenig Geld oder etwas Essbarem oder einer Fahrtmöglichkeit in die nächste Stadt. Dies trifft vor allem auf Orten zu, die eine Durchfahrt zu anderen Städten oder Ländern darstellt. Die Leute sind dann hier aus irgendeinem Grund gestrandet. Diese Unterschicht ist ausschlieĂŸlich schwarz. Es gibt zwar offiziell keine Diskriminierung, aber von Chancengleichheit zu reden wäre auch blanker Hohn. Es macht nachdenklich, wenn man wie ich in einer Position ist, in der Geld nie wirklich eine bedeutsame Rolle gespielt hat weil meist einfach genug da war. Ich bin kein Millionär und werde wohl auch nie einer sein, aber ich muss auch nicht auf den nächsten Monatslohn warten. Ein wahrer Luxus.

In der Nähe von Mariental am Hardap Zeltplatz sehe ich zum ersten Mal riesige Mengen an SĂ¼ĂŸwasser. Es handelt sich um einen Staudamm, wohl einer wenn nicht der grĂ¶ĂŸte im ganzen Land. Eine unschätzbar wertvoller Rohstoff in einem Land, welches die schlimmste DĂ¼rre seit Jahrzehnten erlebt und die meisten FlĂ¼sse trocken sind. Der Rastplatz ist nur mit einer handvoll Leuten belegt und relativ neu und mit 340 Dollar, etwa 20 Euro fĂ¼r zwei Personen recht preiswert.

Wir kommen dann am nächsten Abend in der Rössmund Lodge an. Sie liegt etwa 5 Kilometer vor Swakopmund. Wir haben uns entschieden, uns etwas Luxus abseits des Zelts zu gönnen. Dieser Luxus ist in der Nähe einer Stadt bedeutend erschwinglicher. Wir werden uns hier fĂ¼r drei Nächte einquartieren und von hier aus die beiden kleinen Städte Swakopmund und Walvis Bay sowie das Umland erkunde. SĂ¼dlich von Walvis Bay liegt Sandwich Harbour, im Grunde eine WĂ¼ste, die direkt bis in den Atlantik reicht. Dies markiert unser morgiges Ausflugsziel. 

 

Swakopmund liegt im Westen des Landes und wird unser Ausgangspunkt fĂ¼r weitere Erkundungen Im Norden Angrenzenden Damaraland. SĂ¼dlich, etwa 35 Kilometer entfernt, liegt das ungefähr gleich groĂŸe Walvis Bay, also zu deutsch Walfischbucht. Dieser Name ist noch holländisch, da es nie in deutsche Hand gefallen ist sondern sich die Briten es vorher unter den Nagel gerissen haben und den Namen beibehalten haben. Das wichtigere Detail ist aber, dass unterhalb von Wavlis Bay nicht nur der Namik-Naukluft Nationalpark anfängt, welcher sich bis nach LĂ¼deritz zieht, sondern dort auch ein “Sandwich harbour” getaufter KĂ¼stenabschnitt liegt. 

Wir haben zwar einen Geländewagen, doch fehlt mir die nötige Erfahrung und das Geschick um die zwei Tonnen auf diesem Gelände fortzubewegen. Deswegen machen wir eine Tour samt gemietetem Fahrer, welcher zwar die Chinesen nicht mag aber ansonsten sehr unterhaltsam und kompetent ist. In seinem Geländewagen Marke land cruiser machen wir uns auf und fahren vorbei an einer weitläufigen Salzfabrik, welche sich das flache Gelände und das Salzmeer zu Nutze macht, um hier jede Menge verschiedenartige Salze zu fördern. Das Geschäft läuft gut und es wird expandiert. Das salzhaltige Wasser wird dabei immer in verschiedene Becken umgefĂ¼llt und nachdem mehr und mehr Wasser verdunstet, bleibt am Ende fast reines Salz zurĂ¼ck.

Wir lassen die Salzfelder hinter uns und das Terrain verändert sich zu mehr oder wenigem festen, flachen Sand, welcher ab und zu Ă¼ber kleine DĂ¼nen fĂ¼hrt. Rechter Hand Richtung SĂ¼den begleitet uns ständig das Meer, welches hier aufbrausend, unruhig und wellig ist. Mal abgesehen von dir erfrischenden Temperatur von circa zehn Grad. Das Wasser kommt frisch aus der Antarktis. Und dann fangen die wirklich hohen DĂ¼nen an. Der Sand wird fein und trocken. Der Fahrer schaltet den Vierradantrieb zu. Wir nehmen Anlauf. Der 3.2 Liter Diesel heult auf und schieĂŸt die DĂ¼ne hinauf. Und wieder runter. Und wieder hoch. Es ist wie eine Achterbahn, nur deutlich unterhaltsamer. Unser Fahrer hat eine gesunde Mischung aus Wagemut und Vernunft wenn aus um die Manöver geht. Zudem ist er in der Gegend bereits seit Jahrzehnten unterwegs und hier geboren. Der Ausflug dauert etwa vier Stunden. Kurz bevor wir umkehren, katapultiert er uns noch auf eine steile DĂ¼ne direkt am Meer. Es ist fĂ¼r meine Augen alles sehr unwirklich. Auf der einen Seite nur wandernde Berge aus Sand soweit das Auge reicht. Sehr trocken und kaum Wasser. Auf der anderen Seite reicht dieses WĂ¼stenmeer direkt in das Wassermeer des Atlantik. Hier gibt es Wasser im Ăœberfluss und es ist kalt und oft neblig und wolkig. Zwei Gegensätze existieren direkt nebeneinander. Das hat auch zur Folge, dass wir Tiere wie Oryx, Strauss, Springbock und Flamingos sehen, wobei ein paar Meter entfernt am Strand in der Sonne Robben ihren Nachmittagsschlaf pflegen. Wenn man sie aus dem Schlaf weckt, erschrecken sie erst, so wie jedes normale Lebewesen, jedoch posieren sie dann anschlieĂŸend sehr gekonnt fĂ¼r die Kamera. Der Ausflug kostet uns 1640 Dollar, also etwa 100 Euro, aber das ist es vollkommen wert. Ich wäre auch gerne in der Lage so gekonnt in den SanddĂ¼nen zu manövrieren.

Apropos treffen wir auf dem RĂ¼ckweg noch ein Ehepaar nebst Zwillingen, welches in Tiefen Sand nahe des Meeres mit dem Hinterteil des Wagens stecken geblieben sind. Der Vierradantrieb hat versagt und mit buddeln und einem Abschleppseil zieht unser Fahrer den guten Mann aus seiner Misere. Wir fahren wieder in unserem eigenen Mietwagen nach Swakopmund zurĂ¼ck.

Auf den ersten Blick sehen sowohl Swakopmund als auch Walvis Bay sehr fremd aus fĂ¼r unser Auge. Es ist eine Mischung aus U.S. amerikanische Kleinstadt mit einer Mall und breiten StraĂŸen mit Schachbrettanordnung. Andererseits wird soviel gebaut und es ist so sandig, dass es aussieht als wĂ¼rde ein Sultan in Saudi Arabien gerade eine neue Stadt aus dem Boden stampfen. Ich bin mir sicher dieser Eindruck wird den beiden Kleinstädten in groĂŸen Teilen nicht gerecht, aber ich konnte mich diesem Eindruck nicht erwehren. Und morgen stellen wir mal wieder fest, dass Geduld eine Tugend ist.

 

Beim letzten Mal hat unser kleiner Gaskocher den Geist aufgeben. Nachdem er nach Ă¼ber zwanzig Minuten nicht mal eine Tasse Tee erhitzen konnte, mussten wir uns eingestehen, dass das Gas alle ist.
Ich war bereits bei mehr als einer Tankstelle, wurde aber immer abgewiesen mit dem Hinweis, dass man hier kein Gas auffĂ¼lle. In einem angrenzenden Laden verkauften sie Gasflaschen, fĂ¼llten sie aber nicht auf oder waren gerade nicht in der Stimmung. Nun steht dies heute nochmal im Zentrum meiner BemĂ¼hungen, da wir die nächsten sechs Tage campen und dazu ein Gaskocher ungemein nĂ¼tzlich ist. Erschwerend kommt hinzu, dass heute wieder mal ein Feiertag, der sogenannte Cassinga Day ist. Deswegen hat unsere erste Hoffnung, ein groĂŸer Baumarkt namens “Build it” geschlossen. Der Nächstkleinere winkt ab. “Versucht es mal bei der Shell Tankstelle auf der Nelson Mandela Allee”. Dort angekommen schĂ¼tteln die Männer, drei an der Zahl einhellig den Kopf. “Falsche Tankstelle. Probier mal die um die Ecke”. Wir kommen dort an und sehen direkt, dass wir nun am richtigen Ort angelangt sind. Und zwar an der Menschenschlange, welche sich vor dem Gasladen bereits gebildet hat. In Namibia wird nämlich vorrangig mit Gas geheizt und somit sind es keine weiĂŸen Camper sondern ausschlieĂŸlich ärmere Schwarze, welche das Gas zum alltägliche Kochen gebrauchen. Die plumpe Beschreibung “Schwarzer” möge mir hier nicht als rassistisch sondern als akkurate Tatsachenbeschreibung ausgelegt werden. In dem Laden neben der Tankstelle arbeiten genau drei Leute. Einer fĂ¼llt das Gas auf, der andere bedient die Leute und die Frau nimmt das Geld entgegen. Viele Leute reisen nicht wie ich im Auto an, sondern höchstens im Taxi oder so haben die Gasflasche einfach auf einen klapprigen Drahtesel geschnallt, auf dem sie hierher getuckert sind. Es gibt eine fein säuberlich aufgereihte Schlange von Gasflaschen und ich stelle meine hinten an. Die Schlange startet vor den Laden und geht im Laden weiter. Ich bin grob geschätzt an Stelle 25 oder 30 und es nur die gleichzeitige BefĂ¼llung einer Flasche möglich. Langsam verstehe ich zu begreifen, warum ich viele Leute, wiederum ausschlieĂŸlich Schwarze, oft einfach irgendwo warten sehe. Sie machen nichts sondern stehen oder sitzen nur herum und warten auf etwas. So wie ich jetzt auf meine Gasflasche. Ruth fährt in der Zeit nach Walvis Bay, um dort meine Jacke abzuholen, die ich schusseligerweise gestern bei dem Ausflug dort vergessen habe.Direkt daneben ist auch eine Luftdruckstation um Fahrrad- und Autoreifen aufzupumpen. Und noch mehr. Ein Mann steigt aus einem Taxi und wuchtet ein halb geöffnetes Computergehäuse in die Richtung. Alle Komponenten sind noch drin. Er halt der Luftkompressor ordentlich rein in die Kiste und der Sand und staubt explodiert nur so nach allen Seiten, dass es eine helle Freude ist. Der Computer stand wahrscheinlich die letzten paar Jahre einfach auf oder neben Sand und musste dementsprechend viel schlucken. Als Fachmann fĂ¼r die Cloud sehe ich solche altmodischen Wartungsarbeiten immer mit einem Grinsen im Gesicht.Dazu muss ich sagen, dass ich hier wie auch bisher mich nirgendwo in dem Land unsicher gefĂ¼hlt habe. NatĂ¼rlich gibt es Kriminalität und auch Wilderer haben weiterhin Hochsaison aber es wird etwas dagegen gemacht. Es gibt unzählige Sicherheitsposten an StraĂŸenecken, Geschäften oder Bankfilialen. Unser Fahrer erzählte uns gestern, dass ein Wilderer mit Elfenbeinhorn an der Grenze zu Angola geschnappt wurde. Er wandert direkt ins Kittchen, ohne Ă¼ber Los zu gehen. Da wird nicht lang gefackelt und das ist auch richtig so. Viele Leute profitieren vom Tourismus, direkt oder indirekt und somit wissen auch die Einheimischen um den Wert des ausländischen Geldflusses. Ich hoffe dass dies so bleibt, und ich auch am Ende sehr positiv Ă¼ber das Land berichten darf. Eine kurze Warnung an alle Alkoholliebhaber: An Sonntagen und Feiertagen wird offiziell gar kein Alkohol verkauft, höchstens Light Bier. Am Samstag das gleiche nach dreizehn Uhr. Vielleicht hilft es ja Jemanden in der Zukunft, diese Bredoille zu vermeiden.