25.03.16 (Fortsetzung)
26.03.16 22:26 Uhr
Beim Aussteigen will der Mensch, der unseren Koffer auslädt nochmal Bares sehen und hält die Hand auf. Wir haben ihm aber schon beim einladen ein paar Kreuzer in die Pranken gedrückt und so heroisch waren seine Taten nun wirklich nicht. Das Gleiche passiert, als jemand unsere Koffer ins Taxi hebt. Ich will nicht knauserig sein und gebe auch ihm ein paar Peso.
Der Taxifahrer hält in der angegeben Straße, Moreno Nummer 1330. Es gibt Nummer 1328 und dann Nummer 1332. Von 1330 keine Spur. Wir fragen jemanden in der Nähe. Er weiß aber auch nichts von diesem Haus. Tja, der Mann sagt, dass es um die Ecke ein Hostel gibt und wir dort fragen können. Also bezahlen wir den Taxifahrer und biegen um die Ecke.
Im Hostel empfängt uns Carlos. Es ist das Hostel Kalifornia. Er hat keine Ahnung, was es mit der Straßennummer auf sich hat. Eine Rezeption hatten wir auch nicht gefunden. Aber Carlos bietet uns ein Zimmer an, sogar ein Privatzimmer, was wir natürlich gerne annehmen. Es ist hier bei weitem kein modernes Hostel und hat definitiv auch bessere Zeiten gesehen. Aber Carlos ist sehr freundlich und es ist sehr familiär hier. Er erklärt uns alles, gibt uns eine Karte, seine Handynummer und ein paar Hinweise, wo man etwas Gutes zu Essen findet. Auch ein Frühstück will er uns am Morgen servieren. Bester Mann. Ansonsten wären wir nämlich ziemlich aufgeschmissen gewesen.
Wir schlendern den Boulevard Nicasio Orono entlang und finden dann ein passendes Restaurant, wo auch eine leckere Pizza serviert wird. An der Küste, bzw. an dem großen Fluss Rio Parana ist nicht mehr viel los. Wir sehen noch einen Mann, der seinen alten, klapprigen Wagen anschiebt und dann schnell herein hüpft und den Motor anlässt. Beim zweiten Mal klappt es. In Deutschland würde man den ADAC rufen, hier macht man es einfach selber.
26.03.16
28.03 17:08 Uhr
Nach einer erholsamen Nacht wird uns von Carlos persönlich und exklusiv das Frühstück gereicht. Wir scheinen hier die einzigen zu sein, die frühstücken, weswegen er alles auch extra vom Supermarkt nebenan für uns holt. Wirklich ein Hostel, wie es früher mal war als Familienunternehmen für ein paar Reisende. Es gibt Kaffee, Tee, Milch und Croissants.
Danach machen wir uns auf den Weg zu Che Guevaras Geburtshaus, den Grund unserer Gegenwart hier in dieser Stadt. Das war eine meiner Stationen, zu denen ich unbedingt wollte. Auf der Touristenkarte die uns Carlo ausgehändigt hat, ist es nirgends verzeichnet. Aber google weiß fast alles und auch wo Ches Haus zu finden ist. Wir finden es nahe dem Zentrum auf der Straße entre rios 480. Ein schmales, kleines Schild am Straßenrand weist auf ein Mietshaus hin. Es ist wie schon gedacht, nichts weiter zu sehen. Kein Museum, oder Informationen oder eine Statue oder Denkmal. Hier scheint sich keiner so recht für einen seit knapp 50 Jahre toten Mann zu interessieren. Ich schieße meine Photos und natürlich auch eins von mir vor dem Haus. Ein gutes und inspirierendes Gefühl.
Wir statten auch dem Rest der Stadt einen Besuch ab, inklusive der Flusspromenade, einer Parkbank, einem großen Park mit Trimm-Dich-Pfad und einem großen obeliskartigen Monument. Letzteres erinnert an das Hissen der ersten argentinischen Flagge im Jahr 1812. Das Monument und der Platz davor sind mit Säulen verziert und eine riesige Flagge thront über dem Ganzen. Alles ist wie ein Schiff geformt und vorne ist der Mast. Die Stadt wurde per Schiff erschlossen. Wir fahren hoch in den Turm und haben eine sehr weite Aussicht über die Stadt. Eine Seite ist weniger beschaulich, die sie mit hohen Häusern der Großstadt zugepflastert ist. Die andere Seite zum Fluss hin ist wesentlich netter, ruhiger und grüner.
Insgesamt macht Rosario bisher einen lebenswerten und freundlichen Eindruck. Generell sind die Leute hier sehr zuvorkommend und freundlich, auch wenn man mal etwas nicht versteht. Es gibt viele Plätze, die Straßen sind recht ruhig und es lässt sich gut um die Ecken schlendern. In jedem zweiten Haus scheint irgendein spezialisierter Arzt zu sitzen. Überall Schilder von den Göttern in Weiß. Und die laufen nicht abends mit dem Blutdruckmessgerät durch die Stadt.
Später im Hostel checken wir noch unsere weiteren Möglichkeiten. Wir möchten so langsam die Kurve wieder Richtung Osten und Uruguay machen. Aber ob dies nun über Montevideo, Iguazu oder über da Landesinnere passiert, ist derzeit noch völlig offen. Letzteres macht am meisten Sinn, würde aber wohl doch ein paar Busse bedeuten, da internationale Busse meist nur von der Hauptstadt aus fahren. Ich schreibe eine E-Mail an die Grenze nach Colon entre rios und gehe dann mit Ruth in die Kirche.
Dort gibt es zur Begrüßung eine Kerze pro Nase. Im Gottesdienst selber bekommen ich leider nicht viel mit, da die Akustik sehr mies ist. Das meiste, was da aus dem Buch zitiert wird, interessiert mich zwar nicht, aber die Predigt ist manchmal doch recht wirklichkeitsnah und praktikabel. Aber sei es drum.
Danach gehen wir noch in eine Bar ganz in der Nähe unseres Hostels für unser Abendessen. Das ist jetzt an sich nichts spannendes, aber neben dem wirklich leckeren Essen und dem eigenen Bier schallt feinste Livemusik durch den Raum. Drei Jungen am Bass, der Gitarre und Trommel sowie ein Mädel als Sängerin präsentieren sowohl eigens geschriebene Werke als auch Klassiker wie “Beat it” und “creep”. Die Lautstärke ist angenehm und dem Laden angepasst. Zudem sieht man den Künstlern an, dass sie wirklich mit Freude und eifer bei der Sache sind und es für sie eine Herzensangelegenheit ist und nicht primär dafür da ist, um ein paar Peso einzustreichen. Gute Musik ist einfach was Feines. Eine klangvolle Abrundung des Tages.
27.03.16
28.03.16 5:31 pm
Ich habe eine Bleibe für heute Abend in colon ausgemacht und der Bus scheint abends gegen 18 Uhr zu fahren. Soweit zumindest die Theorie und das Internet. Wenn ich hier mal eben kurz ablästern darf, dann möchte ich zu Protokoll geben, dass die Websites hier in Südamerika fast alles Grütze sind. Die Website vom internationalen Flughafen geht gar nicht. Datenbankfehler. Die Suche beim Busterminal ist eine absolute Zumutung. Es bedarf vielen Versuchen und starken Nerven. Die Websites einiger Hotels sagen mir, ichbräuchte einen Flash Player und funktionieren ebenfalls garnicht. Am Besten ist es, sich direkt vor Ort oder per E-Mail zu erkundigen.
Wir fühlen uns gut und beschließen deshalb, die fünfzehn Block zum Busterminal zu laufen, um die Tickets für Abends zu kaufen. Am Schalter kommt dann heraus, dass es die beiden letzten Tickets sind. Sehr überraschend für eine Verbindung in ein kleines Dorf an der Grenze am Ostersonntagabend. Wir kaufen die Tickets für 270 Peso pro Riecher.
Anschließend haben wir noch eine Menge Zeit, da es erstmal Mittags ist. Ich will unbedingt zum Pferderennen und schauen was dort so los ist. Schließlich ist dieser Sport in meiner neuen Heimat Irland populär. Auf der Rennbahn sind auch ein paar Pferde, aber die grasen inmitten des der Rennbahn gemächlich vor sich hin. Hier ist niemand in Eile. Weder Tier noch Mensch. Wir vergnügen uns dann zum Wohl der Pferde auf der Schaukel des nahe gelegenen Kinderspielplatzes. Man muss es nehmen wie es kommt. Im gleichen Park gibt es auch einen großen Teich mit vielen Ständen, Bänken, Tretbooten und einem Kinderland nebenan. Neben der kleinen Brücke über den Teich finde ich eine Infotafel über meinen alten Freund Ernesto. Hier hat er ein Bild aufgenommen, bevor er seine erste Reise durch Südamerika antrat. Hier lese ich auch, dass es in der Stadt einen Che Guevara Platz samt Statue gibt. Dort weht uns der Wind dann also als nächstes hin.
Weitere fünfzehn Blocks weiter sind wir in dem Park angekommen. Das Abbild von Che ist sehr dezent und bescheiden. Dafür ist der Park recht groß, eine Band macht sich gerade warm und eine Menge Kinder tollen hier am Feiertag herum. Das Wetter ist dafür bestens geeignet. So einen Herbst wünschte ich mir auch in Deutschland.
Auf dem Weg zum Busterminal nehmen wir aufgrund unserer Rucksäcke dann sinnvollerweise ein Taxi. Aber nicht irgendein Taxi, wie wir zunächst denken. Wir winken einen jungen Mann in seiner Kutsche heran und er hält am Straßenrand. Er kommt aber nicht raus und verstaut unser Gepäck im Kofferraum wie üblich sondern macht eine Handgeste die sagt, wir sollen die Sachen auf dem Beifahrersitz parken. Kaum ins Auto eingestiegen offenbart sich uns, dass wir bei einem Verrückten im Auto sitzen. Vermutlich auf Speed oder sowas.
“Der Kofferraum funktioniert aber ich hatte einfach keine Lust dazu auszusteigen. Ich bin faul wie alle Argentinier”
Dann tritt er ordentlich aufs Gas. Natürlich ohne Sicherheitsgurt, aber den legt hier ehrlich gesagt eh niemand an. Er erzählt uns in rasender Geschwindigkeit in drei Minuten seine Welt. Dabei hält er stets Augenkontakt zu mir uns freilich nicht zur Straße. Sein Mitteilungsbedürfnis ist größer. Er mag die Leute der umliegenden Länder nicht so besonders. Chilenen sind Rassisten, Brasilianer gehen ihm am Arsch vorbei aber die Brasilianerinnen findet er scharf. Dabei hat er ein weites Grinsen im Gesicht, das jeglicher Beschreibung spottet. Nach Holland würde er gerne mal fahren, da er noch nie das Land verlassen hat. Natürlich nur um Gras zu kaufen und fragt im nächsten Atemzug, ob die Leute in Irland wirklich so viel trinken. Dann erzählt er mir noch einen Reimwitz, den er natürlich anschließend erklären muss, da er ihn runter rattert wie ein D-Zug. Das alles in den drei Minuten zum Busterminal. Imposant.