Wir begleichen unsere Rechnung in Swakopmund und brechen auf mit dem Ziel Palmwag, welches etwa 6 Stunden mit dem Auto im Norden liegt. Palmwag liegt in der Region Damaraland, nach den dort ansässigen Ureinwohnern benannt. Die schnellste und attraktivste Strekce führt uns etwa vier Stunden un der Küste von Swakopmund aus Richtung Henties Bay vorbei. Eigentlich eine sehr aussichtsreiche Küstenstraße, aber der allumschließende morgendliche Mix aus Wolken und Nebel verwandeln das ganze eher in eine Waschküche. Nach etwa zweieinhalb Stunden kommen wir an einem Grenzposten vorbei. Dieser ist mit einem hölzernen Tor verschlossen, auf welchem zwei Totenkopfschädel prangern. Wir sind am Eingang zum “Skeleton Coast” Nationalpark, der Skelettküste. Die ist nicht aus Jux und Dollerei dementsprechend benannt, sondern weil hier aufgrund der Strömung, dem Nebel und der allgemein rauen See über die Jahrhunderte einige Schiffe und noch deutlich mehr Menschen ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Eins dieser Mahnmäler können wir noch bestaunen, auch wenn wirklich nur noch Teile des hölzernen Schiffsrumpfes, welches an den Strand gespült wurde von der Tragödie übrig geblieben sind. Ein unschöner Tot, denn selbst wenn man den Schiffbruch überlebt, ist weit und breit keine Siedlung oder Menschenseele in Sicht. Ich liebe diese rauen und anscheinend von Gott und den Menschen verlassenen Orte. Ein wenig weiter rechter Hand liegt der Länge nach ein alter, verrosteter Ölbohrturm einfach im Sand herum. Er muss hier schon vor langer Zeit den Kampf gegen der Naturgewalten verloren haben, auch wenn der Wind und das Salzwasser aus wenigen Jahren anscheinend Jahrzehnte machen können, da die Wetterverhältnisse derart an dem Material nagen. Auch dies wird selbstredend mit heller Freude als einer der Höhepunkte unserer heutigen Reise verzeichnet.
Wir wollen gerade von der Küstenstraße ins Landesinnere abbiegen, es mag so gegen vier Uhr Nachmittags sein, als uns an eben jener Kreuzung ein Auto entgegenkommt und auf unserer Höhe zum Stehen kommt. Das Fenster surrt elektrisch hinunter und ein junger Mann berichtet uns noch leicht aufgebracht, dass sie etwa zwanzig Kilometer die Straße hinunter drei Löwen gesichtet haben. Wir machen uns natürlich direkt auf, diesen Umweg in Kauf zu nehmen, sehen aber nurnoch ein paar Springböcke, ein beliebter Happen der Löwen in einem grünen Tal grasen. Die Löwen haben sich bereits verdrückt. Wir setzen unsere Reise fort und kommen mit der Dämmerung oder besser gesagt dessen Ende an unserem Ziel der Palmwag Lodge an. Die abschließenden nächsten Tage unserer Reise stehen unter dem Thema Großwild, weswegen wir uns in den etwas wasserreicheren Norden begeben haben. Die Lodge ist luxuriös, keine Frage und obwohl wir hier nur einen Zeltplatz gebucht haben, springen die beiden jungen Männer am Empfang bei unserem Eintreten in die Höhe und schütteln uns die Hand, als ob sie schon den ganzen Tag ausschließlich auf uns gewartet hätten. Wir finden uns aufgrund der bereits hereingebrochenen Dunkelheit und der Stille vor Ort in unserem Zelt wieder. Nicht ohne den Wecker zu stellen, denn um sieben in der früh gehen wir nun endlich auf die Pirsch.
Die Palmwag Lodge liegt direkt hinter einem Kontrollpunkt des Veterinäramtes, welches hier zum Schutze des Wildbestandes vor allem im Norden des Landes verteilt Posten bezogen hat. Nun stromern hier so ziemlich alle Arten von Wildtieren herum, die so auf der Liste stehen könnten. Löwe, Leopard, Giraffe, Elephant und das schwarze Nashorn, welches unter besonderem Schutz steht, da es stark vom Aussterben bedroht ist und das Horn vor allem auf dem chinesischen Markt Bestpreise erzielt.
Jedenfalls begrüßt uns um sieben in der früh, die Sonne nimmt gerade Anlauf Richtung Horizont empor zu steigen, Erwin mit seinem Safarimobil. Er strahlt ebenfalls über beide Backen als er uns sieht. Im Laufe des Tages soll sich herausstellen, dass er wirklich mit Eifer bei der Sache ist und das Grinsen nicht nur vor der Verwaltungsebene vorgeschrieben wurde. Wir brausen die Schotterstraße entlang wieder am Kontrollpunkt vorbei. Der Wind saust uns um die Ohren, aber da die Nacht hier überaus schweißtreibend im Zelt war, bin ich um ein wenig frischen Wind mehr als dankbar. Wir biegen bald zwischen einigen notdürftig zusammengeflickten Hütten aus Holz und Wellblech in den Busch ab.
Die Fahrt geht insgesamt etwa fünf Stunden, wobei wir in den ersten drei Stunden nicht wirklich viel zu sehen bekommen. Naja das ist im Grunde nicht richtig. Wir sehen eine wirklich phantastische Landschaft, welche leider so gut wie staubtrocken ist, da es hier seit gut drei Jahren nicht mehr geregnet hat. Das muss man sich mal vorstellen. Wir sehen Zebras und Springböcke und einen Raubvogel namens Schlangenfresser, der seinem Namen alle Ehre macht. Aber von den größeren Wildtieren keine Spur. Unser Wildführer Erwin gibt sein bestes und analysiert die Fährten der Tiere. Wir fahren über Stock und Stein und das Vehikel wankt sich durch eine Unzahl ausgetrockneter Flussbetten. Die Natur scheint geradezu nach Wasser zu lechzen. Doch gegen Ende des Ausfluges sehen wir dann doch noch etwas. Es lugt überraschenderweise gut getarnt mit dem langen Hals und zwei großen aufgerichteten Ohren in unsere Richtung. Eine Giraffe, zwei, drei, später noch mehr. Diese Giraffenart hat sich der kargen Umgebung angepasst und ist etwas kleiner im Format als ihre sonstigen Artgenossen. Die Giraffen sind nicht scheu und wir kommen auf gut zwanzig Meter an sie heran, was locker für Teleobjektiv und Fernglas ausreicht. Ich kenne sie ja nur aus dem Zoo und so sehen sie für mein Auge gleichzeitig grazil wie außergewöhnlich aus. Es könnte auch ein Fabelwesen sein, wenn ich es nicht besser wüsste. Sie haben zwei Hörner auf dem Kopf, welcher bei den Damen eher ein U und bei den männlichen Giraffen eher ein V darstellt. Aber für den Laien ist dies nicht auf den ersten Blick zweifelsfrei festzustellen. Viele stehen geradezu in einem Baum drin, welchen sie an Höhe meist überragen und von der Tarnung zum Schutz und von den Blättern für das leibliche Wohl zu profitieren. Ich muss dazu sagen, dass es hier um Gegensatz zu vielen Wildreservaten oder dem Etosha Nationalpark keinerlei Zäune gibt und es deswegen deutlich schwerer ist zu wissen, wo die Tiere sich aufhalten. Auch ist die Zahl aufgrund der Dürre recht gering. Umso mehr freut es mich, dass wir wenigstens eins der größeren Wildtiere angetroffen haben und dabei noch gleich das höchste.
Am Abend verlässt uns dann noch der Gaskocher, welchen ich Tage zuvor zeitraubend auffüllen ließ. Das Problem lag wohl nicht darin, dass er fast leer war sondern das Ventil nicht richtig funktioniert. So machen wir es nach altbewährter Methode und stellen den Topf samt Wasser und Nudeln nebst dem Fleisch einfach auf das Feuer, welches aus ein paar Holzscheiten besteht. Dauert ungemein lang für europäische Verhältnisse, funktioniert aber auch. Man muss nur Geduld haben.
Heute morgen werden die Prioritäten etwas umgesteckt und der Wecker eine Stunde vorgestellt. Das Ziel ist heute das bedrohte schwarze Nashorn und der Startzeitpunkt ist sechs Uhr morgens. Sinn dieser unchristliche Stunde ist, dass wir das Nashorn nicht im Schlaf stören wollen, weswegen es in der Zukunft die Gegend gänzlich meiden würde. Da es nicht einfach ist, so ein Tier aufzustöbern und es einfach auch Glück bedarf, wird der Ausflug auch “Fährtenlesen” und nicht “Nashornbeschau” genannt. Unser Mann der Stunde ist wiederum Erwin, was mich freut denn er ist ein kompetenter sowie freundlicher Zeitgenosse und mit Eifer bei der Sache.
Wir nehmen ein wenig weiter noch seinen Kollegen mit, welcher sich näher mit dieser Nashornart und deren Schutz un dieser Region auseinandersetzt. Er ist noch etwas verschlafen und spielt im Auto erstmal eine Runde Candy Crush. Eine weltweite Plage.
Etwas später, nachdem die Sonne sich zart am Horizont aufgeschwungen hat uns einen weiteren Tag zu begleiten, geht es auf. Wir fahren die Wege ab, wo zuletzt und Exemplar gesichtet wurde und finden wenig später tatsächlich die letzte Schlafstätte eines schwarzen Nashorns. Nun ist ist in dem sehr felsigen Gelände nicht leicht, die Fährte immer treffsicher nachzuvollziehen, da sie Spuren zwar auf dem Sand aber logischerweise nicht an Steinen haften bleiben. Erwin schwingt sich auf der Spur nachzugehen. Da Nashörner, vor allem das schwarze nicht ungefährlich und außerdem potentiell hier auch noch ein paar Löwen herumlungern könnten, bleiben wir am Auto bis die Luft rein ist. Wir sichten Erwin auf einem Berg, von welchem er seinen Kollegen mit dem Walkie-Talkie verständigt. Wir sollen hochkommen. Er hat eine heiße Spur. Heiß ist auch der Aufstieg auf die nicht wenig steile Anhöhe. Oben angekommen heißt es ruhig sein und sorgsam seine Schritte abwägen. Nashörner können schlecht sehen, schon garnicht besonders weit und auch eher in Schattierungen als denn in allen Farben wie wir Menschen. Dafür ist aber der Geruchs und Hörsinn bestens entwickelt. Wenn dir Wind falsch steht, sind die Chancen hoch, dass das Nashorn von der Sache Wind bekommt bevor wir es überhaupt zu Gesicht bekommen. Wir wagen uns vorsichtig auf dem steinigen Terrain vor, immer auf der Hut nicht auf lose Brocken zu treten und unnötige Geräusche zu vermeiden. Wir postieren uns auf einer kleinen Felsaufschüttung neben einem kargeren dornigen Baum. Erwin pirscht wir Indian Jones an das Zielobjekt herum. Er hat sich meine Kamera ausgeborgt, um das ganze zu dokumentieren. Ich höre den Auslöser einige Male, wie der Spiegel der Kamera das Licht auf den Sensor projeziert und Bilder anfertigt. Dan huscht Erwin eilig wieder in unsere Richtung. Die Erklärung kommt prompt, denn das Nashorn zeigt sich nun in voller Pracht über die Hügelkuppe kommend. Es hat uns ganz klar bemerkt und untersucht die Umgebung mit seinen Sinnen. Erst dachte ich, dass uns die Jungs verladen wollen, da das Nashorn weder schwarz noch überhaupt unterschiedlich in der Farbe zu einem normalen Nashorn ist. Der Name ist jedoch irreführend, wie später erklärt wird, denn es unterscheidet sich in äußeren Merkmalen und dem Verhalten von seinem Artverwandten. Es hat zudem noch sein fast vollständig entwickeltes prachtvolles und enorm wertvolles Horn, da es ein junger Bulle von etwa acht Jahren ist. Dieses wird nach der Wachstumszeit von den Behörden hier entfernt und in einem sicheren Ort gelagert. Klingt ziemlich hart aber sichert das Leben des Tieres, da es ansonsten Wilderern zum Opfer fallen würde. Ohne Horn ist es für diese wertlos. Es kommt im Zick Zack auf uns zu, was als aggressives Zeichen zu werten ist. Naja immerhin haben wir einen Teenager bei seinem Frühstück gestört. Da wäre ich auch ungehalten. Zur Ablenkung werden ein oder zwei Steine in die uns entgegengesetzte Richtung geworfen um das Nashorn zu verwirren und abzulenken. Es wird ausgenutzt, dass das Nashorn eher seinem Gehör vertraut als denn seinem mäßigen Augenlicht. Für uns jedenfalls bleibt die einmalige Erfahrung, so eine bedrohte Nashornart in freier Wildbahn angetroffen zu haben. Ich hoffe, das wird auch künftigen Generationen noch möglich sein und wir müssen ihnen nicht ausschließlich anhand von Bildern von Ihnen berichten. Zu wünschen wäre es.