01.02.2014:
Zuerst sollte es nach Maicao gehen. Im Gegensatz zu bisher ist ab hier bis Maracaibo der Bus nicht der Standard sondern carritos. Im Grunde Sammeltaxi die bei voller Belegung fahren. Also am Umschlagplatz in Riohacha in eines dieser carritos umgestiegen. Je nach Alter des Autos kostet die Fahrt 8000 oder 10000 Peso (3-4 Euro). Das bestimmt sich dadurch, ob 5 oder 6 Personen ins Auto passen. Wir kommen der Sache näher denn die älteren Modelle haben einen durchgehenden Frontsitz und somit Platz für Einen mehr. Um zum Kern zu kommen, sind die meisten carritos komplett schrottreife Crashderbywagen aus den sechziger Jahren der USA. Venezuela wirft seine Schatten voraus. Des Weiteren wurde auf dem Weg nach Maicao das nächste Problem offensichtlich. Es lag irgendwann dermaßen viel Müll in der Landschaft, dass es zwischen ekelhaft und traurig skalierte. Vorwiegend Plastik. Die Leute haben keine große Naturverbundenheit und feuern aber auch alles aus dem Auto raus. Dumm sind die Leute jedoch nicht. Zumindest wenn es ums Bare geht. 500 Meter vor einer Mautstation bog der Fahrer in einen Sandweg ein. Dort lag gechillt jemand in der Hängematte und kassierte klassischen Wegzoll. Wir kamen wie ein Wunder nach einiger Zeit wieder hinter der Mautstelle heraus. Der Fahrer beschwerte sich noch, dass der verlangte Betrag hier eine Frechheit sei die er abdrücken müsse, um mit seinem alten Hobel mit 120 Sachen über den schlechten Asphalt zu pflügen. Ab hier stellten sich Sicherheitsgurte übrigens ganz ein. In Kolumbien machen es wenigstens ein paar Fahrer…hier nicht. Wir kamen in Maicao an. Der Ort hat was Besonderes an sich, ist er doch die letzte kolumbianische Ansiedelung vor der Grenze. Benzinschmuggler, Schrottkistenfahrer, Geldwechsler, Allesverkäufer und Schreihälse. Ein sehr windiges Kaff, indem mit hoher Wahrscheinlichkeit auch allerhand Halsabschneider ihrem Tagwerk nachgehen. Ich gab meinem Fahrer Adre zu verstehen, dass er das Wechselgeld behalten solle und mir stattdessen beim Geldwechsel und Weitertransport helfen solle. Alles kein Problem, bog er in die umtriebenste aller Straßen ein und hielt halb auf ihr an. Ich habe versucht mich vorher über den Wechselkurs zu informieren, um nicht komplett über den Tisch gezogen zu werden, aber der bolivar ist nunmal kein Euro oder Dollar. Erstmal ist das monetäre System komplett vom Staat kontrolliert. Er legt per Gesetz den Wechselkurs fest. Außerhalb von Venezuela will das dreckige Papier keiner haben, weil niemand es tauscht oder braucht und die Inflation phantastisch ist. Zu guter Letzt zahlt niemand den offiziellen Wechselkurs der Regierung. Ein riesiger Schwarzmarkt hat sich entwickelt. Seis drum brachte mich Adre dann zum offiziellen Wechselbüro wo ein gut gekleideter Herr in seinem klimatisierten Büro mir geduldig und ruhig die Wechselkurse vorlaß. Als ich kurzzeitig aus meinem Tagtraum erwachte, stand ich vor einem Tagedieb mit Taschenrechner, dem sie ein Schatten ins Gesicht gezaubert hatten. Der Wechselkurs sei etwas mit 0.25, meinte der Herr kurzerhand. Ich fragte nach einem Beispiel. Für 200.000 Peso würde ich 7000 bolivares fuertes erhalten. Das wären 75 bolivares für einen Euro. Ich hatte kaum einen Schimmer, ob das nun viel oder wenig sei, stimmte jedoch in Ermanglung anderer Möglichkeiten zu. Er nahm meinen Kies und zog einen Batzen bolivares aus dem Ärmel. Größere Scheine als 100er scheinen nicht im Umlauf und so ging ich wieder mit einem Stoß Papier in der Hose. Zeit zum angucken ist später, es wurde nur genau gezählt schon um nicht den Anschein zu erwecken, man könne sich jeden Schabernack mit mir erlauben. Ganz wichtig. Jetzt ging es um den Transport nach Maracaibo. Als das nach kurzer Zeit gefühlt die halbe Straße spitz hatte, standen sie um mich herum, redeten wild durcheinander, ohne dass es mir half. Dann drang etwas zu meinen Ohren durch, dass für mich wie helles Kinderlachen an einem grauen Novembermorgen klang. Es war das Vernehmen der englischen Sprache. Nicht gut aber ausreichend erklärte mir Luis die Konditionen. 500 bolivares für die Fahrt, 300 bolivares um den Zollbeamten zu schmieren, damit es besser flutscht. Wir hatten einen Deal und kamen zu seinem Transportfahrzeug. Ein waschechter Chevrolet Impala mit allem Schnickschnack. Elektrische Fensterheber, Klima und einem Wackelkontakt im Batteriekabel. Der Zustand des Wagens war abenteuerlich. Er passte also bestens hierher. Da die anderen Beförderungsmittel des Ortes jedoch ähnlicher oder schlechterer Qualität waren, stieg ich ein. Ich hatte ja schließlich Abenteuer gebucht und nicht 5 Sterne all inkl. Das Müllproblem verschärfte sich weiter. Wir kamen zur Grenze. Es wird alles durchsucht und man muss erst aus Kolumbien ausreisen um dann im nächsten Gebäude nach Venezuela einreisen. Ich erlaube mir kurz die Zeit zu nehmen, um die beiden Abläufe kurz zu beschreiben, da sie symbolisch stehen für den Unterschied der Länder. Kolumbien: Sauberes Gebäude, Klimaanlage, drei Leute vor mir, hell, freundlich, verglast, 2 Minuten: fertig. Dann einige hundert Meter hereinlaufen nach Venezuela. Schon am Zaun war es laut, es wurde alles verkauft, Geldwechsler schrien um die Wette. Kein Eingang, nur Schalter nach außen hin. Sehr voll, Riesenschlange in der Sonne, verdunkelt und vergittert, langsam, nervenraubend. Zur Verteidigung sei gesagt, dass sowohl Grenzbeamten, Militär sowie Polizei in beiden Ländern mich immer freundlich und fair behandelt haben. Gegen 300 bolivares kann man sich an der Schlange vorbeikaufen, wenn man es eilig hat. Jeder hat seinen Preis…fast. Nun denn war ich jetzt offiziell in Venezuela und in Maduros Hand, was der Nachname des aktuellen Präsidenten ist. Das ganze Ausmaß dieses Grenzübergangs stelle sich auf der anderen Seite heraus. Am venezolanischen Grenzposten war eine kilometerlange Schlange, denn alles und jeder wird durchsucht. Die Leute schmuggeln nämlich alles, um an Pesos zu kommen. Die Schlange bestand ausschließlich aus Schrottkisten, die einer nach dem anderen in der heißen Mittagssonne den Dienst quittierten. Die ganz schlauen Füchse unter ihnen standen auch auf der Gegenspur auf unserer Seite um abzukürzen. Der Grund für eine weitere Stunde des Wartens. Es ging weiter über unzählige Geschwindigkeitsbuckel, da die Leute sonst fahren würden wie die Teufel. Wir mussten tanken. Eine Tankstelle in Venezuela erkennt man daran, dass jemand eine Plastikflasche am Stock am Straßenrand durch die Luft wedelt. Der Bursche war nicht älter als 12, hatte den Dreh aber raus. Als wir anhielten sauste er ab in den vertrockneten Busch und kam mit einer großen Plastik Flasche Benzin wieder. Und nochmal. Die Rechnung fürs volltanken beläuft sich hier auf weit unter einem Euro. Selbst für die Leute hier ist es geschenkt. Mein Fahrer Luis rief meinen Freund Valentin an und machte den Treffpunkt ab. Als wir ankamen bin ich zu dem Typen hingelaufen, der suchend ausschaute, jung und männlich war, denn ich hatte ihn ja nie gesehen. Er stellte sich tatsächlich als Valentin heraus. Eine Mitfahrerin wollte noch ein Foto von sich mit dem Deutschen, dem das hier alles neu war und zuweilen amüsante Kommentare abließ ob seiner deutschen Sicht auf die Lage hier. Valentin, kurz zur Erklärung, traf ich im Internet beim spanisch lernen. Er lernte gerade Französisch. Ich weiß eigentlich garnicht, warum wir am Anfang überhaupt miteinander geschrieben haben. Er ist in seinen Zwanzigern, braun und groß und eigentlich Journalist für eine Zeitung. Da dem Präsident aber oftmals die Wortwahl der Zeitung missfiel, stoppte er einfach dessen Papiernachschub. Somit ist er gerade arbeitslos. Wir nahmen eine weitere Schrottlaube zu seiner Wohnung. Ich hatte mich auf nicht viel eingestellt und sollte nicht enttäuscht werden. Ein Bett, Kühlschrank und zwei Elektrokochplatten. Wasser gibts nur zu bestimmten Uhrzeiten. Deswegen ist auch recht klar, wenn geduscht und das Geschäft verrichtet wird. Ein Ventilator spendet Wind und Lautstärke zugleich. Er gab sich jedoch alle Mühe, damit ich mich wohl fühlte und reichte mir zur Begrüßung ein Fläschchen kühlen Eistee…besser als im Hostel. Gastfreundlichkeit über Komfort…damit kann ich gut leben. Nun stellte sich auch heraus, dass ich gerade 2 Monatslöhne in der hiesigen Währung mit mir spazieren führe. Aufgrund der Kriminalität tragen die Leute hier nur wenig Bargeld mit sich herum. Ich folgte seinem gut gemeinten Rat. Ich ließ alles dort und wir gingen zum essen ins Einkaufscenter. Da waren wir aber fast die Einzigen, denn aufgrund der kräftigen Sonne läuft hier kaum jemand großartig. Zudem werden lange Hosen getragen und Sonnenschirme verkauft. Die Sonne ist der Feind. Das sollte ich auch noch spitz bekommen. Im Einkaufscenter sollte ich überrascht werden, denn das Nahrungsangebot war erschlagend. Sushi, Hühnchen, Schwein, Rind, Lokales, mc Donalds, Burger King, Wendys…es wurden alle Register gezogen. Augenscheinlich heile Welt…für einen Moment. Nach dem Essen wurde es dunkel. Ab jetzt war nichts mehr mit laufen, vielerorts zu gefährlich. Die Schlange für carritos war ca. eine Stunde lang. Gleiches Transportproblem wie auf Kuba. Eine der Gemeinsamkeiten. Wir nahmen das Taxi zum zehnfachen Preis, ca. 80 Eurocent (Schwarzmarktpreis). Das Ziel war eine Oper auf dem Parkplatz mitten in Maracaibo. Das Land ist nicht ganz einfach zu verstehen. Kultur wird nicht gewürdigt von der Regierung…alles Mumpitz. Mit Schöngeistern und Tagträumern ist halt weder Staat noch Revolution zu machen. Somit war eine Leinwand auf einem abgeschlossenen Parkplatz aufgestellt, wo dann eine Oper gezeigt wurde. Mit Plastikstühlen und Popcorn. Dass dies meine erste Oper war, machte die Veranstaltung für mich nicht weniger bizarr. Wir trafen auch einige Freunde von Valentin, was sehr unterhaltsam war. Allesamt recht gebildet und politisch oppositionell waren sie in diesem Land zwar tapfer aber auf verlorenem Posten. Nichts desto weniger wurde viel erzählt. Wenn sie unter sich sprachen, hatte ich starke Mühe, bei parallel verlaufenden Gesprächen war ich schlicht chancenlos. Mir fehlt einfach noch die Übung für diese Geschwindigkeit. Wenn sie einen Gang herunterschalteten war es schon um Längen besser. Englisch natürlich Fehlanzeige aber nur so lernt man. Dann gings noch ab ins Nachtleben…naja so halb. Da ich unwissenderweise meinen Pass nicht dabei hatte, kamen wir auch in keinen Club rein. Drum gingen wir in eine normale Bar und bestellten 10 Bier in nem Eimer mit Eis. Wir waren 8 Leute, nur zur Klarstellung. Hier ist übrigens alles mit Eis. Das lokale Bier “polar” ist gut trinkbar und hat mit 5 Umdrehungen auch seinen Sinn, kommt jedoch in homöopathischen Dosen zu 222ml daher. Zum Glück war es nicht der letzte Eimer. Es ging bis zwei Uhr. Zwischenzeitlich wurden Anstrengungen unternommen, die deutsche Sprache zu unterrichten, was zwar nicht erfolgversprechend aber dafür überaus spaßig verlief. Genau solche Abende genieße ich in vollen Zügen auf meinen Reisen. Es sind immer die Menschen. Dann ging es ab in die Falle, aber nicht bevor nicht der Ventilator auf Vollgas gestellt wurde. Im Grunde wie mit Frauen…es wird zwar gerne mal etwas lauter aber ohne geht es auch nicht. Ich schlief wie der Stein persönlich.
02.02.14:
Vor dem auswärtigen Frühstück musste erstmal gewartet werden. Es floss nur wenig Wasser, und nur aus dem Küchenhahn. Also warten bis der Eimer voll war, Eimer in die wasserlose Nasszelle und mit einem Becher wurde sich dann am kühlen Nass ergötzt. Sagen wir mal so: es funktioniert. Zum Frühstück gab es die Straße herunter ein paar empanadas. Füllung nach Wahl, immer sehr fettig…wie auf Kuba…mal wieder. Dann führte mich Valentin zum Symbol dessen, was die Leute unerschütterlich durch den Tag bringt: die Basilika und somit Kirche in Maracaibo. Dorthin wurde eine von Fischern im See gefundene Statue ähnliche Figur gebracht und die Leute verehren sie. Fast alle sind gläubig und die volle Kirche ließ daran keinen Zweifel. Weiterführend in einer parkähnlichen Anlage war die Jungfrau nochmal als riesige, weißgewaschene Statue zu bestaunen. Ein Park des großen Simon Bolivar darf nicht fehlen. Dann kamen wir zum kern des Ganzen, zum Markt. Es wurde an der Hauptstraße alles feilgeboten, bis auf regulierte Artikel wie Klopapier, Reis oder Milch. Hinzu kamen am Straßenrand stinkende Müllhaufen. Der Grund warum niemand auf der Straße isst liegt auf der Hand, denn es vergeht einem schlicht der Appetit. Danach ging es ab zum Prestigeprojekt in Maracaibo…der Metro. Leider ähnlich lässig wie eine Nachtspeicherheizung, denn sie fährt nur in eine Richtung und verbindet nichts wirklich miteinander. Es geht nur hin und zurück. Basta. Valentin hatte zwar einen sehr kritischen Blick auf seine eigene Stadt und Regierung, jedoch musste ich ihm meist beipflichten. Vieles sah nach korruptem Führungsstil und kopfloser Führung aus. Auf der Habenseite gibt es für ca. 1 Cent eine Klimaanlage in der Metro. Mit Valentins Freundin ging es dann zum Essen. Für mich stand lokale Kost auf dem Plan, ich bin ja nicht für einen BigMac hier. Plattgedrücke und frittierte Banane mit Käse und Hühnchen. Nahrhaft und mächtig. Nach dem ganzen Stadtmuff ging es dann zu einem echt schönen Ort direkt am Meer. Ein großer Park mit Spielplatz, Tennisplatz und Fahrradverleih. An der Promenadenstraße entlang stand eine Art kleine Tribüne, um das Meer entsprechend würdigen zu können. Mittlerweile waren die Temperaturen angenehm und mein Gesicht rot. Lichtschutzfaktor 20 ist einfach ne Nummer zu wenig für Maracaibo. Wie immer wurden allerhand Getränke und Speisen von fliegenden Händlern angeboten. Hier kann man garkeinen richtigen Hunger aufbauen. Damit das auch so blieb, ging es nach Einbruch der Dunkelheit in ein Straßenrestaurant. Es gab eine Mischung aus türkischer Pizza und Döner mit Gemischtfleisch. Es wird hier gegessen, was auf den Tisch kommt. Jedoch schmeckt das Meiste recht gut und ist jetzt auch nicht so exotisch. Es ging um die Planung meines Rückweges nach Kolumbien, die kompliziertere Richtung. Luis, der Fahrer von Samstag, wurde angerufen. Option A: für 1500 bolivares(20 Euro) macht er eine Privatfahrt für mich morgen um vier Uhr. Ansonsten für 600 bolivares (8 Euro)und man würde auf Leute warten müssen und später fahren. Springender Punkt: die Grenze ist 24 Stunden auf. In der Nacht ist der Rückweg für die vielleicht 150 Kilometer in 6 Stunden machbar…am Tag sind es eher 10 oder mehr. Da war mir eher ein frühes Aufstehen lieber anstatt stundenlanges Warten in der Sonne. Denn die Kontrollen auf venezolanischer Seite sind hart. Also ging es früh ins Bett und Luis wurde für vier Uhr zum Haus bestellt. Ich redete mit Valentin noch stundenlang über Politik, Geld, Venezuela, Che Guevara und das Leben. Für Gesprächsstoff sorgte das Buch, welches ich locker in die Seite meines Rucksackes gesteckt hatte. Es könnte vielleicht helfen bei Grenzkontrollen. Che Guevaras “das magische Gefühl, unverwundbar zu sein”. Valentin fand es garnicht magisch. Da es aber nur für Interessierte von Belang ist, erspare ich mir hier den Abriss unserer langen aber interessanten Unterredung. Der Wecker zeigte noch vier Stunden bis zum Aufstehen an. Zeit für die Bettkarte.
03.02.14:
Meine heutige Mission: raus hier. Notdürftig entsprechend der Uhrzeit den Pony auf 3:30 Uhr gestellt und gepackt. Die restlichen paar Tausend bolivares ließ ich Valentin da, da es ab der Grenze für mich nur auf dem Klo von Nutzen wäre. Zudem mein Gastgeschenk: vier rollen Klopapier. Uncharmant klingend, aber die Freude war groß. Ein weiteres reguliertes und teures Produkt im Land des angeblichen Sozialismus. Wir verabschiedeten uns. Nächstes Mal kommt er nach Deutschland. Ich bin gespannt. Luis hupte mit seinem Chevrolet und erschien pünktlich wie die Maurer. Die Uhrzeit ist nicht ungewöhnlich für ihn. Sein Gefährt heulte auf als er ihm die Sporen gab und ab ging es in die Nacht von Venezuela. Gefahren auf der Straße hier: Geschwindigkeitshuckel, liegen gebliebene Autos, parkende Autos, fehlende Beleuchtung in jeder Hinsicht, Schlaglöcher, Straßenhändler, tote Tiere, lebendige Tiere, Pferdekarren, rücksichtlose Fahrweise und das Militär. Mal von Spitzbuben und Räubern abgesehen, die ich aber glücklicherweise nicht zu Gesicht bekam. So viele Checkpoints in gut 100 km hab ich mein Lebtag nicht gesehen. Überall einige Mann mit Maschinenpistole und kräftiger Stimme. Die Meisten jünger als ich (27) und recht schmächtige Milchbubis. Ich weiß nicht, wie oft mein Rucksack und der Wagen durchsucht wurden. Ich habe ab dem fünften oder sechsten Mal mit dem zählen aufgehöhrt. Ein Glück ist bei einigen Checkpoints ein Konterfei des Präsidenten, dem man Dank spenden kann für die Aktion. Hier hat man zudem den Eindruck, dass das Militär eher die Leute kontrollieren möchte, als sie vor den vielen Gefahren zu schützen. Anders als in Kolumbien. Luis meinte, dass die Polizei und das Militär schlimmer seien als die Räuber und Mörder in den Straßen. Er verzog keine Mine, es war nicht scherzhaft gemeint. Und er war eigentlich ein lustiger Kerl. Der letzte Checkpoint kurz vor der Grenze ist der Härteste. Es ging langsam bis nicht voran. Es herrscht jedoch entspannte Stimmung. Die Leute sind auf der Straße und reden, Straßenhändler verkaufen Kaffee. Luis lud mich ein, mich mit ihm auf die Motorhaube und Windschutzscheibe zu legen und mit ihm doch den Nachthimmel zu bestaunen. Diese Gelassenheit und der Blick für das nachdenkliche und ruhige im Chaos der Nacht…beeindruckend. Er zeigte mir Fotos seiner Familie. Eine Frau und drei Kinder. Ich zeigte ihm Fotos von mir und Cuba. Er bat mich, eine Botschaft an seine Frau per Handykamera zu richten. Sie hatte im Verdacht, dass er wohl anstatt nachts zu fahren eher bei anderen Frauen einparkt. Also mischte ich touristenspanisch mit deutschen Akzent und erklärte ihr, dass Luis ein toller Mann sei und sie sich keine Sorgen machen solle. Er liebe sie doch und nur sie. Wir befinden uns weiterhin auf der Motorhaube eines Chevrolet Impala 2km vor dem nächsten Checkpoint in Venezuela. Die Sonne ging langsam auf und somit kamen auch Horden von Mücken. Es war auch eigentlich nur eine Straße mitten im Wald. Ich holte mein Mückenspray aus dem Rucksack. Luis guckte erst komisch, begriff aber schnell und griff ebenfalls zu. Wir waren endlich an der Grenze. Also wieder Ausreise, rüberlaufen, Einreise. Venezuela 1 Stunde, Kolumbien 25 Sekunden. Wir nahmen noch 2 Frauen mit, dessen 60er Jahre Modell endgültig alle Viere von sich gestreckt hatte. In Maicao angekommen wurde dann Luis bezahlt (1500 bolivar) und die Weiterfahrt nach Riohacha organisiert. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, mich direkt noch ab Riohacha 8 Stunden in den Bus nach Cartagena zu setzen. Aber das war es mir nicht wert. Die Fahrt nach Riohacha verlief fast reibungslos. Auf halbem Weg hat sich ein Reifen verabschiedet. Klarer Fall, es war einfach kein Gummi mehr auf dem Schlappen. Kein ding, 5 Minuten Reifenwechsel, weiter ging es bis zum Hostel.