Lüderitz

Wir haben uns gut von den gestrigen Anstrengung in einem richtigen Bett erholt. An der örtlichen Tankstelle, es gibt genau eine in dem Dorf, tanke ich den Wagen nochmal auf. Das dauert seine Zeit und inzwischen suchen einige Leute das Gespräch mit mir, weil ich mit meinem dicken Wagen und der Hautfarbe natürlich eine Meile gegen den Wind nach Geld rieche. Ob ich es nun will oder nicht. Der erste Herr ist schnell durchschaut, denn ich kenne das Spiel mit den Schnitzereien bereits. Hier versucht der Verkäufer, in einem freundlichen Gespräch den Namen zu erfahren, welchen er dann auf eine Art Nuss ritzt, welche vorher bereits verziert wurde. Diese wird dann selbstredend zum Kauf angeboten und ist ja schon bereits personalisiert. Zwei weitere Leute, darunter auch ein Junge, fragen mich einfach nach Geld. Sie sind dabei aber nicht aufdringlich und ein klares Wort findet Gehör. Die Fahrt führt uns über Helmeringhausen und Aus nach Lüderitz. Dabei ist die Autoreise selber ein absolutes Erlebnis für die Sinne. 

Es ist schwer zu beschreiben. Zunächst einmal ist der Himmel in blau getaucht, welches aber gen Horizont blasser und weißer wird. Es trifft dann auf die Berge, welche in verschiedenen Braun- oder Rotschattierungen sowie in allerlei Formen aufwarten. Manche sind wie abgeschnitten und ähneln dem bekannten Tafelberg. Andere wiederum sehen aus wie eine von Hand konstruierte Pyramide mit geraden gleichmäßigen Seiten und einer scharfen Spitze. Dann kommt die sandige Steppe, welche sich scheinbar über das gesamte Land ergießt. Am Wegesrand stehen ein paar Sträuße oder auch mal ein Oryx herum. Die Schotterstraße schneidet die Szenerie in zwei Teile. Menschen sind schon seit Kilometern nicht mehr zu sehen. Eine ohrenbetäubende Stille macht sich breit. So zieht die Landschaft an uns vorbei auf dem Weg in das Dorf Aus.

 

Dort begegnen wir auch wieder einer geteerten Straße, ein absoluter Luxus. Wir tauschen unseren lädierten Reifen in Aus aus und begeben uns deswegen zu dem einzigen Reifenhändler im Ort, der direkt an die örtliche Tankstelle angeschlossen ist welche auch den einzigen Laden beherbergt. Es muss jemand angerufen werden, der Reifen wird mit mehreren Leuten begutachtet. Selbst nachdem festgestellt wurde, dass der Reifen offensichtlich ein Loch hat und man die zerborstene Stelle mit dem bloßen Auge sehen kann, wird der Reifen nochmal aufgepumpt um dann in ein Wasserbad eingelassen zu werden. Hier läuft alle streng nach Protokoll. Dann sieht sich der Mann in seinem Reifenladen um und sieht so ratlos aus, als ob er zum ersten Mal einen Reifen wechseln muss. “Ob ich die richtige Größe vorrätig habe”. Ruth und ich schauen uns an. Hier fährt ungefähr die Hälfte aller Leute einen Pickup der gleichen Marke, die alle die gleichen Reifen haben. Wir setzen uns nebenan ins Restaurant des Hotels von Aus und warten. Am Ende schaffen wir es dann noch kurz vor der Dunkelheit nach Lüderitz.

 

Auf dem Weg, eine schnurgerade Straße entlang einer Eisenbahnstrecke, sehen wir noch ein paar Wildpferde, die um Aus herum gerne herumstreunen. Es gibt eine Menge Theorien, wie die Pferde hierhin gekommen sein können, aber sicher weiß es Niemand. 

Wir kommen jedenfalls in der Backpackers Lodge an, wo wir dann im Hinterhof einen Platz für unser Zelt finden. Unten im Dorf, naja es sind kaum mehr als 100 Meter, dröhnt bereits die Musik aus vollen Rohr. Ein Festival ist in vollem Gange und vor allem die Jugend sieht zu, dass die Kehle nicht trocken bleibt. Davon ab sehen wir die ersten Wolken unseres Urlaubs. Aber nicht an Land, sondern über dem Meer. Der Pazifik sieht hier aus, als wäre er in einen Schleier gehüllt, welcher schwer auf dem Wasser liegt. Die Luft ist ebenfalls deutlich feuchter, was aber bei der auch etwas niedrigeren Temperatur eine willkommene Abwechslung darstellt. Ich bin morgen gespannt zu sehen, ob es hier wirklich so urdeutsch aussieht, wie im Reiseführer angepriesen. 

 

Der Morgen gestaltet sich wesentlich ruhiger als die Nacht, denn die Feier in dem Dorf ist abgeebbt. Trotzdem trinken die ersten Leutchen im Hostel auch schon morgen um neun die erste Kanne Bier. Respekt.

Heute ist Sonntag und wie es so gute deutsche Tradition ist, bleibt dort das Meiste geschlossen. Eine Ausnahme ist der Supermarkt, wo wir uns neu eindecken mit dem Wichtigsten. Wir schlendern dann noch weiter durch die Gassen und entdecken so einige alte duetsche Bauten. Das Bahnhofsgebäude wirkt als wäre hier schon lange kein Zug mehr hergefahren.  Es sieht auch etwas heruntergekommen aus und hat klar seine besten Tage hinter sich. Besser in Schuss ist da das kleine Wahrzeichen der Stadt, die Felsenkirche. Wie der Name vermutet wurde sie ein einem Hügel in den Fels gemeißelt und zwar so, dass sie auch von der anderen Seite der Bucht zu sehen ist. Sie steht selbstredend in der Straße “Kirchweg”, welches auf einem deutschen blauen Straßenschild zu lesen ist. Desweiteren gibt es hier noch das Goerke Haus, was zwar geschlossen aber am imposantesten eh von außen zu betrachten ist. Die meisten dieser Gebäude sind recht gut erhalten und farbenfroh angestrichen und zeugen von dem Glanz und Gloria vergangener Tage. Aber über diese sollen wir noch mehr erfahren.

Bei einem Tee bzw. Kaffee lesen wir dann noch die deutsche Tageszeitung, welche hier unter den angebotenen Zeitungen ausliegt. Wir erfahren von einem recht dubiosen Mord an zwei hochrangigen Mitarbeitern eines Forschungsinstituts in Namibia, was sich sehr abgekocht anhört. Die Beiden waren Deutsche. Aber keiner hat etwas gesehen oder gehört. Wahrscheinlich wussten sie zuviel oder waren zu den falschen Leuten nicht freundlich genug.

 

Am Nachmittag machen wir uns noch auf eine Erkundung ins Umland auf. Auf der gegenüberliegenden Seite der Bucht, liegen “Große Bucht” und “Diaz Point”. Diese beiden grenzen an das sogenannte Sperrgebiet, welches im Süden von Lüderitz sich auf viele Kilometer bis hinunter zur Grenze zu Südafrika erstreckt. Dort ist die Minengesellschaft NamDeb tätig und fördert seit gut 100 Jahren Diamanten zu Tage. Dazu später noch mehr. Die haben es nunmal nicht so gerne, wenn sich neugierige Leute dort mal umschauen, ob es nicht was abzugreifen gibt.

Wir schauen an bei “Große Bucht” vorbei und sind ähnlich enttäuscht, denn der Meeresnebel hat alles in eine Waschküche verwandelt. Wir sehen kaum das Meer. Bei “Diaz Point” ist da schon mehr los. Wir sehen zwar nicht die Pinguine, welche hier manchmal vor Ort sein sollen, aber Kormorane, Flamingos und einige alte, verlassene Gebäude. Sowas zieht mich ja immer magisch an. Ich schaue mich um un finde noch gut erhaltene Grundfesten. Die Fenster fehlen fast alle schon, aber Badewannen, Toiletten und Stromkabel sowie Schalter sind teilweise noch vorhanden und deuten auf deutsche Herkunft. Wir verbringen den Abend mit Kochen und der weiteren Planung unserer Reiseroute, welche sich bald in den Norden verlagern wird, wo wir hoffen ein paar großere Wildtiere vor die Linse zu bekommen. Morgen geht es Richtung “Fish River Canyon”, also der Fischbachschlucht, aber vorher schauen wir noch in einer Geisterstadt vorbei, welche eine beschwingte Vergangenheit hat.