05.05.2017
Der frühe Vogel fängt den Wurm, zumindest heute und wenn es um die Fähre von Pulau Weh nach Banda Aceh geht. Diese läuft nach der Taxifahrt zum Hafen relativ unspektakulär und vor allem zügig ab. Nach der Ankunft, bevor die Steg zum aussteigen angelegt ist, laufen vor allem die Männer schon im Gang herum wie kleine Kinder, gucken nach draußen und schieben unruhig ihr Gepäck von links nach rechts. Das ist wohl maßgeblich dem Nikotinmangel zuzuschreiben, denn ungefähr alle Männer in Indonesien rauchen und auf dem Schiff herrscht striktes Rauchverbot.
Unser Fahrer holt uns direkt vom Hafen ab, was angesichts der “Taxi” schreienden Meute nicht wirklich nötig gewesen wäre. Aber er kennt den Weg, denn es ist circa 25 Minuten südlich von der Stadt Banda Aceh an der Küste gelegen.
Wir fahren durch ein Holztor auf einem Steinweg in ein grünes weites Anwesen hinein. Rechts des Weges ist das Restaurant, wo uns Alice, eine Französin begrüßt. Sie wird wohl in ihren dreißgern sein, ist sportlich gebaut und hat eine stattliche Sonnenbräune vorzuweisen. Sie spricht sehr gutes Englisch und gibt uns einen kleinen Überblick über die Anlage, was Essensangebot und die Aktivitäten. Es gibt ein wöchentlich wechselndes Menü und auf dem Aktivitätenprogramm steht Surfen, Kite-Surfing und Standup Paddleboarding (SUP).
Kurz darauf kommt ihr Mann Regis, ebenfalls Franzose und leidenschaftlicher Surfer von seinem morgendlichen Strandausflug zurück. Er begrüßt uns knapp aber herzlich und ruft ein paar Leute an, um mir einen Surfkurs und uns einen Roller zu organisieren. Die Anlage ist günstig gelegen an einem ruhigen Fluss, aber für den Strand muss man doch ein paar Minuten fahren. Dafür gibt es dann aber eine breite Auswahl an Stränden, je nach dem was man dort wirklich machen will.
Wir beziehen unser Bungalow, welches komfortabel mit einer großen Veranda nebst Hängematte ausgestattet ist. Es ist auch weit genug von der Straße weggelegen, sodass uns der Motorenlärm nicht stört. Nur der Muezzin ruft unerbittlich in leidvollen Tonfall zum Gebet. Wir kommen dem nicht direkt nach sondern gönnen uns eher einen Mittagsschlaf. Das scheint nur gütig und recht.
Gegen Nachmittag zu meinem geplaten Surfunterricht fängt es leider an, ordentlich zu schütten. Mein Surflehrer Redi kommt aus dem Roller vorbei, aber an seinem Gesicht ist bereits abzulesen, dass weder er noch Petrus heute Lust aufs Wellenreiten verspüren. Somit verschiebe ich die ganze Aktion leicht widerwillig, aber im Regen zu Surfen würde doch stark mit dem romantisch, sonnigen Bild dieses Sports brechen. Das wollen wir nicht.
Am Abend vor dem Essen fahren wir dann noch eine Runde auf unserem Roller Richtung Südwesten an der Küste entlang. Dort gibt es meist kleine Essensstände, einfache Wohnhäuser und viele Strände. Ein großes Ungetüm von Zementwerk verschandelt den grünen Blick und sticht harsch ins Auge. Man hätte das Ding wenigstens nett anstreichen können, anstatt es bei dem seelenlosen Grau zu belassen. Der Rest ist aber landschaftlich sehr reizvoll und vor allem mit dem gemütlichen Roller bestens zu erkunden.
Zum Abendessen in der Unterkunft gibt es gegrillten Fisch. Dieser ist überaus schmackhaft und frisch zubereitet. Mit 80.000 Rupiah ist es aber auch preislich recht saftig.
Wir lernen noch Sam kennen, den Besitzer des ganzen Unternehmens hier. Sam ist Indonesier, freundlich und hilfsbereit. Er sitzt mit seinen guten 60 Jahren locker im Stuhl und raucht dabei genüsslich die Zigarette. Er scheint für hiesige Verhältnisse gut betucht und finanziert sich mit dieser Anlage wohl seinen Lebensabend. Er macht einen durchweg zufriedenen Eindruck.
06.07.2017
Interessanterweise ist es aufgrund des frühen Sonnenlichts, des warmen Wetter und der Urlaubstimmung garnicht so wild wenn wir um halb Acht aufstehen. Es passier sogar von ganz alleine, da hier am Abend eh nicht viel los ist und man früh die Döppen dicht macht.
Das Frühstück ist nicht nur inklusive, sondern auch mit Liebe aus einer gut sortierten Auswahl frisch zubereitet.
Wir fragen Alice nach SUP am morgen und sie sagt, dass sei garkein Problem. Wenn wir soweit sind, bringt sie uns runter zum Fluss, welcher an dem Gelände der Anlage ohnehin vorbeifließt. Dann gibt sie uns eine kurze Einführung und anschließend können wir einfach den Fluss herunterfahren, bis zu einer kleinen Lagune nebst Höhle. Ich bin zunächst skeptisch ob der Tatsache, dass wir alleine den Fluss befahren werden, wo wir weder den Weg kennen noch je jemand von uns beiden auf ein derartiges Brett einen Fuß gesetzt hätte.
Alice erklärt uns kurz die Theorie und lässt uns dann eine kurze Proberunden am Ufer drehen. Der Fluss ist zwar ruhig aber auch recht breit und teilweise tief. Ruth zieht zur Vorsicht und anfänglichen Nervenberuhigung eine Schwimmweste an. Wir stehen noch recht wackelig auf dem Brett und treiben so dahin, als Alice sich dann verabschiedet und uns viel Spaß wünscht. Aber nach zehn Minuten haben wir uns an das leicht wackelige Verhalten dieses Sport gewöhnt und die Körper macht automatisch immer kleine Ausgleichsbewegungen, um nicht ins Nass zu plumpsen. Die ersten zwanzig Minuten rinnt mir ordentlich der Schweiß in und aus allen Ritzen, die die Sonnen ungehindert am Himmel ihr Tageswerk verrichtet. Nach einiger Zeit wird es aber bedeckt, was uns beiden sehr zupass kommt.
Somit paddeln wir nach grober Anweisen den Fluss hinunter. “Erst rechts, dann unter der Brücke nochmal rechts und dann immer der Nase nach. Wenn ihr an einer Stelle unsicher seid, fahrt nach links.” Das ist die komplette Wegbeschreibung von Alice, welche uns aber letztendlich zum Ziel führt. Es ist wirklich eine sehr angenehme art der Fortbewegung, vor allem weil man recht langsam unterwegs ist und so die Natur sehr gut beobachten kann. Der Fluss ist recht ruhig und nur ab und zu sieht man vereinzelt ein paar Menschen am Flussufer baden oder fischen. Wir sehen einige Affen durch die Bäume ziehen. Immer wenn es in einem Wipfel stark wackelt, ist darin ein Affe zu vermuten.
Am Ende des Flusses ist die blaue Lagune und die Höhle. Beides erkunden wir jedoch nur vom Land aus. Die Wasserfarbe der Lagune kommt uns nicht so gesund vor und außerdem führt ein Rohr mitten in den kleinen See hinein, was dem ganzen wahrscheinlich nicht unbedingt zuträglich ist.
Auf dem Rückweg verfransen wir uns kurz und es geht durch engere Flusskanäle, weshalb ich es zweimal hintern mir “Plopp” machen höre, und meine Freundin ein Bad nimmt. Aber das hat eher einen erfrischenden Effekt als alles andere.
Am Nachmittag fahren wir nach Banda Aceh hinein und sehen uns das Tsunami Museum am. Eben jener hat hier am 26.12.2004 gewütet und über 100.000 Menschenleben gefordert. Das Museum ist in verschiedene Bereiche unterteilt und beleuchtet die eigentliche Katastrophe an sich, bietet aber auch Plätze für menschliche Aufarbeitung mit dieser schockierenden Tragödie. Diese Region und die Geschichte ist weiterhin stark vom Tsunami gezeichnet und fast jeder Bewohner kann dazu seine eigene Geschichte erzählen.
Danach kehren wir noch bei “La Piazza” ein, welches ebenfalls Freddie gehört. Bene jenem, bei dem wir bereits in Pulau Weh im Bungalow-Resport zu Beusch waren. Wer gute italienische Kost in Banda Aceh sucht, ist doch bestens beraten.
Am Abend genehmigen wir uns noch ein paar Bier zurück an unserer Anlage. Zum Glück haben hier die Franzosen das Sagen. Ich hätte nie gedacht, dass mir so einen Satz mal über die Lippen kommen oder ich ihn zu Papier bringen würde, aber das hat zur Folge, dass hier Alkohol verkauft wird, welchen man in der Region mit der Lupe suchen muss. Das Gesetz hier untersagt nämlich den öffentlichen Verkauf von Alkohol. Fast wie in der Prohibition, und das hat ja bereits bekanntlich nur mäßig geklappt.
Einer der Bekannten von Sam, ein junger Teenager, hat heute seinen Geburtstag zu feiern, weshalb es einigen Besuch im Restaurant gibt und ein ganzer Haufen Kinder ausgiebig toben. Feiern hier sind ähnlich lebhaft wir in Deutschland oder Irland. Und das hier meist ganz ohne Alkohol. Zumindest die Muslime halten sich hier offensichtlich an die Regeln.
07.05.2017
Die Sonne lacht und somit ist nach dem Frühstück auch der Weg zum surfen geebnet. Redi kommt um neun auf seinem Moped vorbeigedüst. Hier haben die Surfer links an den Roller noch eine Metallstange drangeschweißt, um auch ein Surfboard transportieren zu können. Ruth kommt mit, wenn auch nur als Zuschauerin. Das Surfen liegt ihr nicht so, auch wenn sie in letzter Zeit beim Schwimmen sich immer weiter auf das Meer hinauswagt. wir fahren ein paar Kilometer Richtung Süden und dann in einen Steinweg hinein, der in einer Sand- bzw. Grasfläche endet.
Der Sandstrand zieht sich in einer Bucht im Halbkreis von Bergen umgeben durch die Landschaft. Es ist keine Menschenseele auszumachen; aber ok, die meisten Leute werden wohl zu der Uhrzeit bei der Arbeit sein. Ich ziehe das von Regis geliehene langarmige Shirt an, welches ein bisschen gegen die Sonne schützt und ein bisschen gegen das Board.
Die Wellen sin einsteigerfreundlich und sind so zwischen einem und zwei Meter. Die ersten paar Male gehe ich wie erwartet relativ früh vom Board und schlucke ordentlich Salzwasser. Das gehört zum Spaß mit dazu. Redis Anweisungen sind deutlich:”Mehr nach vorne positionieren, mehr nach rechts und mehr in die Knie.” Also nur von allem etwas mehr. Kurz darauf stehe ich dann auch meine ersten paar Sekunden auf dem Brett und reite Richtung Küste auf der Welle. Ein tolles Gefühl, voller Freiheit und Spaß. Wenn die Welle von hinten anfängt das Board zu drücken während man noch paddelt, das Adrenalin freigesetzt wird und man sich dann vom Brett abstößt um möglichst treffsicher mit den Füßen zu landen. Wenn esklappt eine erfrischende Komposition. Aber natürlich fliege ich in den zwei Stunden Unterricht auch mehrmals zu allen Seiten vom Board. Naja, am Ende fällt man eh vom Brett, egal wie gut man ist.
Ruth macht ein paar Bilder von der Aktion, während sie am menschenleeren Strand spazieren geht. Fast so gut wie das Wellenreiten selber ist aber das Warten. Ich paddele hinaus, setze mich auf das Brett, warte auf eine Welle und schaue Richtung Horizont. Das Blau des Meeres vermischt sich mit dem des Himmels. Die Szenerie ist rechts und links eingefasst von saftig grünen Bergen und Hügeln, welche sich endlos hinzuziehen scheinen. Zum Glück braucht es nicht viel und ich verstehe warum die Leute lange dachten, die Erde sei eine Scheibe und am Ende fällt man herunter.
Gegen Mittag schwingen wir uns dann nach einer Dusche auf unser treues motorisiertes Ross und düsen Richtung Stadt, um das Lampulo Boot zu sehen. Es gibt mehrere Schiffe zu besichtigen, aber wir fahren zu dem, welches immernoch auf dem Dach eines teilweise zerstörten Hauses sitzt. Die Fahrt ist abentuerlich, denn das Boot ist nicht einfach zu finden und versteckt sich mitten in einer Fischersiedlung. Ein Einheimischer macht sich die Mühe und zeigt uns den Weg, während wir im zwanzig Minuten hinterher fahren. Das macht er aus reiner Freundlichkeit. Er will uns nichts verkaufen oder Geld haben.
Das Boot thront wie versprochen auf dem ersten Stockwerk eines eingestürzten Hauses. Es scheint dort einfach vor dreizehn Jahren geparkt zu haben und niemand hat es je abgeholt. Es macht die Wucht und Stärke von Mutter Natur sichtbar, auch wenn wir immernoch kaum das Ausmaß der damaligen Katastrophe erahnen können. Dafür ist die Zahl der Toten zu hoch und das Ausmaß der Zerstörung zu verheerend.
Am Nachmittag nehme ich dann direkt nochmal zwei Stunden Surfunterricht. Redi ist wirklich hilfreich, sagt mir wo meine Schwächen liegen und was ich verbessern muss. Wenn alles klappt streckt er meinem breiten Grinsen den Daumen nach oben entgegen. Das erste Mal schaffe ich es, die Welle komplett bis zum Ende zu reiten, sodass ich einfach lässig vom Brett in den Sand am Strand steigen kann. Herrlich. Ich fühle mich ein bisschen in meine Jugend zurückversetzt, als ich mit meinen Freunden mit dem Skateboard auf der Straße unterwegs war. Nicht dass wir dabei die heißesten Tricks vollführt hatten, aber nicht nur war der Sport ähnlich, sondern man konnte auch locker unter freiem Himmel ein Schwätzchen über Gott und die Welt halten. Das mache ich mit den Redi in den Wellenpausen ebenfalls.
Nach dem Abendessen reden wir noch nacheinander mit Alice sowie mit Robert, einem Gast aus den U.S.A. Robert hat hier seinen Geschäftsaufenthalt in Singapur verlängert, um ein bisschen mehr aus seinen mickrigen zehn Tagen Jahresurlaub zu schlagen. Er ist an einem Lehrinstitut für Unternehmen beschäftigt, wo er verschiedene Kurse betreut und heute noch seine letzten Noten für die Arbeiten abgeben musste. Es klingt alles sehr abstrakt und theoretisch.
Alice erzählt uns ein ein bisschen über sich selbst. Von ihren fünf Jahren hier hat sie die ersten zwei direkt in der Stadt Banda Aceh gewohnt. Dort hat sie sich aber nicht so richtig wohl gefühlt, die sie immer anders war als die Anderen. Einfach aufgrund ihres Aussehens und der Sprache bzw. dem Akzent. Auch kleidet sie sich anders und hat einen anderen Glauben, was vor allem hier ein nicht zu unterschätzender Faktor ist. Dann haben sie hier das Geschäft übernommen und fühlen sich nun wohler. Sie können auf dem Grundstück treiben was sie wollen, im Bikini herumlaufen und Alkohol trinken.
Ein weiteres Thema ist die Korruption, welche laut ihr hier durch alle Dienstgrade sehr verbreitet ist. Wenn Ramadan sich dem Ende zuneigt und kostspielige Feste anstehen, kontrolliert die Polizei deutlich öfter und sucht solange, bis sie irgendetwas findet. Blinker nicht gesetzt oder die Felge nicht ordentlich poliert. Gegen ein kleines Handgeld wird dann über solche Ordnungswidrigkeiten hinweggesehen. Das hörtsich nun banal an, zieht sich aber wohl durch weite Teile der Polizei und Behörden. Korruption hat eine sehr lähme Wirkung auf Statt und Gesellschaft, was sich bereits in verschiedenen Ländern beobachten ließ und lässt.
Wir buchen unseren Transport zum Flughafen morgen früh um halb sieben. Redi wird uns fahren, damit wir am Ende des Tages hoffentlich Yogyakarta erreichen, unseren vorletzten Stop in Indonesien.