30.01.15
Heute verlassen wir Panama Stadt und normalerweise bin ich um den ersten Ortswechsel auch nicht besonders traurig. Einfach weil ich weiß, dass ich für den Rückflug eh wiederkommen werde. Da das diesmal aber nicht der Fall ist und die Stadt mir sehr gut gefallen hat, verabschiede ich mich schon mit etwas Wehmut. Aber die für mich interessanten Sachen habe ich gesehen und es ist Zeit weiterzuziehen.
Ich schreibe übrigens wir, da Ruth zufällig die gleiche Route hat und wir zusammen denselben Bus nehmen. Abgesehen davon, dass sie echt nett ist, erscheint die Busfahrt dann nicht so lange.
Alles verläuft relativ ereignislos. Lediglich als wir in den Bus einsteigen wollen, für das wir bereits das Ticket für 15,25 $ gekauft haben, müssen wir noch ein Drehkreuz passieren. Und dafür muss man zehn Cent bezahlen. Die zehn Cent werden aber nur als Guthaben auf einer Karte akzeptiert, die wir nicht haben. Warum einfach, wenn es auch schwierig geht. Aber ein Einheimischer zieht für uns Beiden die Karte durch und wir danken ihm herzlich. Die Busfahrt selber ist gut, mit den üblichen vierzehn Grad im Bus und lauten Actionfilmen aus den USA. Ein Typ preist am Anfang seinen Schmuck an mit Ketten, Ohrringen und Armbändern. Die sehen nicht nur hübsch aus sondern helfen einem angeblich auch eine schöne Frau zu finden sowie einen gut bezahlten Job. Auch der Gewinn in der Lotterie wäre nicht fern. Er macht ein lustiges Spiel mit Fragen über Tieren daraus. Sehr unterhaltsam.
Wir steigen in David um und kommen wenig später in Bajo Boquete an. Hier empfängt uns erstmal der Regen sowie eine deutlich kühlere Temperatur. Das Klima ist komplett anders und wir haben auch 1100 Meter an Höhe gewonnen.
Der Ort sieht im Vergleich zu Panama Stadt aus wie ausgestorben. Das Hostel mamallenas ist zwar das größte am Ort aber trotzdem übersichtlich und gemütlich. Für zwölf Dollar die Nacht kann man sich nicht beschweren. Der Leute an der Rezeption sind hilfreich und es werden einem ein Haufen Touren angeboten. Die meisten davon zu einem unverschämt hohen Preis, da man vieles einfach selber mit dem Taxi erreichen kann. “Selber mit dem Taxi erreichen”…sehr komisch.
Wer Natur und Wandern mag ist hier absolut richtig. Allen anderen kann ich nur von diesem Ort abraten, da sie nichts als Langeweile und Eintönigkeit finden werden. Ich gehe mit Ruth noch in ein Restaurant. Glücklicherweise ist das Essen gerade fertig, als für ein paar Minuten der Strom ausfällt. Der Mitarbeiter bleibt gelassen, greift unter den Tisch zu seiner Halogennotleuchte und alles ist im Lack. Wir treffen noch ein paar Leute später im Hostel und gehen ungewöhnlich früh schlafen. Aber hier passiert sonst auch nicht viel, da die meiste Leute früh in die Heia gehen um morgens fit zum Wandern zu sein. Die ganze Atmosphäre ist komplett anders als in Panama Stadt. Die Leute sind funktional und nicht schick gekleidet, überall stehen Wanderschuhe und hängen dreckige Hosen, Schilder weisen auf die Nachtruhe um zehn Uhr hin. Von einer Hausbar mal ganz zu schweigen. Aber ich bin hier ja auch nicht zum Feiern sondern zum Wandern. Für ersteres ist in Costa Rica noch genug Zeit.
31.01.15
Manche Dinge ändern sich aber nicht die Pancakes zum Frühstück. Auch hier gibt es eine Warteschlange dafür und man versucht sein Glück mit mehr oder weniger guten Pfannen. Nach dem Urlaub werde ich mich definitiv den Rest des Jahres über von Pancakes fernhalten.
Wie dem auch sei. Wir drücken uns noch so ein bisschen vor der Entscheidung, wann und zu welcher Tages- oder Nachtzeit wir den Vulkan Barú besteigen wollen. Wir möchten aber erstmal entspannt anfangen und entscheiden uns heute für eine ca. dreistündige Tour zu drei Wasserfällen, welche günstig per Bus oder Taxi zu erreichen sind. Wir nehmen Russel mit, welcher aus Toronto stammt. Er ist schon etwas älter mit Bart und Hut und ist ein angenehmer Zeitgenosse. Er war schon des Öfteren hier in Boquete und kennt auch die heutige Tour, was immer ein Vorteil ist.
Die Landschaft ist hüglig bis bergig, wunderbar grün, ein frischer Wind weht und die Sonne lacht. Beste Bedingungen. Da es allerdings in den letzten Tagen hier gut geregnet hat, ist der Weg ziemlich schlammig und erfordert teilweise recht große Schritte. Mit Wanderschuhen ist man gut beraten. Der Pfad schlängelt sich eng durch den Wald, man hört die Vögel singen und muss zum Wahrnehmen der Landschaft schon anhalten, da der Weg ansonsten die volle Konzentration fordert. Die Wasserfälle sind nicht nur schön anzusehen sondern auch erfrischend. Die harten Leute können dort auch schwimmen gehen, es ist halt nur recht frisch. Wir machen zwischendurch Rast, stärken uns, quatschen ein wenig und schauen verzückt die Natur an.
Der Eintritt kostet fünf Dollar. Das stellt unter anderem der süße Hund Rocky sicher, der gerade acht Monate alt ist.
Am Eingang des Parks lege ich jedem nah, auf die Toilette zu gehen. Auch wenn man nicht muss. Das beste Klo, was ich je gesehen habe. Es zeigt in das Tal hinab und hat keine Tür sondern ist offen. Man kann also während des Geschäfts den herrlichen Blick ins Tal und auf die Berge genießen. Eine frische Brise inklusive. Per Anhalter geht es auf der Ladefläche eines Trucks ein Stück zurück Richtung Stadt, bis uns für die letzten Meter ein Bus aufliest. Anschließend setzen wir uns in ein Restaurant für Fisch und Meeresfrüchte hin, müssen uns aber bei den Preisen schon stark am Stuhl festhalten um nicht umzukippen. Wir bleiben bei den preisgünstigen Quesadillas, was einfach kleine gefüllte Weizentortillas sind. Ruth meint dann zu mir, dass es regnet. Ich denke erst sie will mich auf den Arm nehmen, denn bei mir regnet es nicht. Wir sitzen uns gegenüber und da sie in die andere Richtung blickt, drehe ich mich um. Tatsache. Zehn Meter weiter regnet es. Das Mikroklima aufgrund der Berge hier ist ganz klar eine Attraktion für sich.
Wir nehmen ein paar hundert Meter weiter die Straße hinauf noch einen Kaffee zu uns. Ich wähle Tee, da ich kein Kaffee trinke.
Der Abend endet aus einer Mixtur des Lesens, Quatschens und Schreibens. Die Atmosphäre hier im Hostel ist sehr gemütlich aber auch leicht schläfrig. Keine verrückten Leute, die nachts herumschreien oder sich das zehnte Bier geben.
Der Vulkan wird nun wohl für morgen Nacht eingeplant. Die meisten scheinen es nachts zu machen. Wird schon schief gehen.
01.02.15
Wir haben uns nun entschieden, heute Nacht mal den Vulkan zu besuchen. Um halb zwölf wird uns der Bus zum Eingang des Nationalparks bringen. Das wird unterhaltsam.
Wir buchen noch für die heutige Nacht das Bett um uns nachher noch etwas hinlegen zu können.
Ruth geht um elf in die Kirche und ich begleite sie. Allerdings nur bis zur Tür, denn anstatt göttlichem Segen werde ich mir lieber idyllische Ruhe können. Ein paar Minuten die Straße hoch ist ein großer Garten, den man sich kostenlos angucken kann. “Mi jardin es tu jardin” “mein Garten ist dein Garten”. Ein entspanntes und farbenfrohes Plätzchen Erde.
Auf dem Rückweg quatschen mich noch zwei Wegelagerer an, die sich auf dem Mäuerchen am Straßenrand niedergelassen haben.
“Hey mein Freund. Wie geht’s dir? Wer gewinnt die nächste Fußballweltmeisterschaft?”
Da ist er bei mir an der richtigen Adresse, komme ich doch aus dem Land der Weltmeister. Wir schnacken ein wenig und sie kennen Franz Beckenbauer. Das ist doch schon mal ein Anfang. Sie leiern mir am Ende noch ein paar Mücken aus dem Kreuz. Da ich eh meinen Kleingeld Haufen dezimieren wollte, kommt mir das wie gerufen. Am Nachmittag geht es noch zu einer Kaffeeplantage. Aufgrund der hohe und des Wetters fühlt sich hier die arabica Bohne zu Hause. Eine Schande, dass viele gute Waren aus Panama ausschließlich in den Export gehen. Ein guide führt uns herum und wir verfolgen den weg von der Bohne bis zur abschließenden Kaffee Degustation. Mein erster Kaffee nach wohl über 15 Jahren und er schmeckt furchtbar. Als wurde ich eine nasse kubanische Zigarre kauen.
Appetitlicher und süßer geht es bei der Honig Frau zu, die in der nahe seit kurzen ihre Zelte aufgeschlagen hat. Sie verkauft die verschiedensten Sorten von Honig, die direkt vor Ort geerntet werden. Ein Gaumenschmaus im Gegensatz zum Kaffee und ich nehme zwei Sorten aus Gastgeschenk mit nach Costa Rica.
Am Abend legen wir uns noch aufs Ohr, da man eine zwölf Stunden Wanderung nicht müde bestreiten sollte. Zur Stärkung hält eine “mittlere” Pizza her, die äußerst mächtig ist.
Wir packen unser ganzes Zeug zusammen und deponieren es in dem Hostel. Zu der Wanderung braucht man aufgrund der Höhe warme Sachen und somit wird ordentlich gestopft. Um halb zwölf haben sich dann am Hostel insgesamt acht Leute eingefunden, die sich der Herausforderung stellen. Der Bus juckelt ein Stück die Straße hoch, bis diese schlagartig aufhört und die steinige Schotterpiste beginnt.
Wir schauen nach oben. Der Mond ist voll uns groß, die Sterne scheinen wahnsinnig zahlreich und eine frische Brise bläst. Wir schalten die Lampen an und gehen los…
02.02.15
Es ist Punkt zwölf Uhr Mitternacht und wir sind auf dem vierzehn Kilometer weiten Marsch zum Vulkan Barú auf über 3400 Metern Höhe. Es geht also steil nach oben, da auch gut 1500 Höhenmeter vor uns liegen.
Die Stimmung ist gut und je nachdem wie steil der Weg ist, reden die Leute miteinander oder sie schnaufen vor sich her. Obwohl ich im Urlaub das Rauchen wieder offiziell aufgenommen habe, fühle ich mich fit und gut in Form. Die meisten anderen sind geübte Wanderinnen oder Wanderer.
Am Anfang schwitze ich wie ein Fettsack in der Sonne. Der Weg ist steil, steinig, uneben und rutschig.
Die Sonne für diesen angeblich so tollen Blick geht eh erst zwischen halb sieben und sieben auf. Deswegen machen wir öfters rast, essen und erzählen, wie man sich das am Abend des superbowl antun kann. Alle scheinen an einer Wanderung mehr Spaß zu haben als bei einem biergetriebenen Ballsportevent.
Etwa ab der Hälfte der Strecke wird die Gruppe kleiner und zersplittert. Man merkt, wer geübter Wanderer ist und möglichst schnell oben sein will und wer ungeübt oder einfach gechillt ist. Ich gehöre zu der zweiten Gruppe, denn ich wandere lieber entspannt und mit Freude. Ich bin ja nicht auf der Flucht und am Gipfel auf den Sonnenaufgang zu warten, ist so ziemlich das Kälteste, was man machen kann.
Nach und nach wird Lage um Lage der Kleidung angezogen. Ab ca. 3000 Metern wird es frisch, wenn man sich ein paar Minuten nicht bewegt.
Gegen halb fünf sehen wir zum ersten Mal das Plateau des Berges, wo viele Antennen platziert sind. Ein fahles Licht aus einem Haus in der Weite verspricht schönes, aber wir wissen, dass es da oben im Grunde nichts gibt, wo man Schutz vor dem Wind hätte. Die letzten hundert Meter sind knackig und ganz zum Schluss geht es nur auf allen Vieren voran, da man das letzte Gjpfelstück hinaufkraxelt. Die spotify playlist “workout/motivation” treibt mich an und wirkt Wunder in Bezug auf die Aufrechterhaltung meiner Willensstärke. Am Gipfel angekommen ist bei orangenem Horizont und einem wundervollen Blick das Wort königlich angebracht. Es geschafft zu haben, ist die eigentliche Belohnung. Oben ziehen Wolken Schwaden umher, aber man kann trotzdem den Pazifik und den Atlantik ausmachen. Grandios.
Wie bereits befürchtet ist es verschwendete Liebesmüh, diesen Moment in Bildform einzufangen. Selber hingucken und den Moment genießen ist das Mittel der Wahl.
Der Weg nach unten ist augenöffnend und hart zugleich. Bergab laufen ist nicht nur gefährlicher sondern geht auch auf die Knochen. Dafür sieht man nun endlich die Natur in ihrer ganzen Pracht, die mir während des Hinwegs im Dunkeln verborgen geblieben ist.
Gegen ein Uhr sind wir wieder am Hostel. Die Dusche gleicht einem Jungbrunnen. Wir gehen beim Argentinier essen und laben uns am kühlen Wasser. Das gibt es hier zum Glück immer gratis zum Essen. Das wäre in Deutschland auch mal angebracht, anstatt Wasser für den Preis einer Cola zu verkaufen.
Ich fühle mich komischerweise gerade überhaupt nicht müde und Ruth geht es ähnlich. Wir laufen hoch zum Kaffee Ruiz und sie überredet mich, doch mal einen Cappuccino zu trinken. Immer her mit den neuen Erfahrungen. Er schmeckt wirklich anders und auch besser als der dunkle Kaffee direkt von der Plantage aber mein Geschmack ist es einfach nicht. Ich liebe meinen grünen Tee.
Am Abend lungern wir noch etwas herum und planen die Weiterreise. Dass wir zusammen abreisen ist eh klar und wir wählen den Nachtbus um zwölf Uhr von David aus nach San Jose.
Wir haben noch Zeit und ich Frage Ruth, ob sie nicht Lust auf eine Partie Schach hat obwohl ich weiß, dass sie gar kein Schach spielt. Aber sie steht auf, höhlt das Brett und fragt wie denn hier der Hase läuft. Solche Menschen mag ich sehr.
Schach zu erklären ist recht einfach, aber es dann zu spielen ist doch bedeutend schwieriger. Sie schlägt sich trotzdem gut.
Wir steigen in das Taxi und es braust circa vierzig Minuten hinunter nach David. Dort angekommen gibt es zwar einen Schalter mit einer langen Schlange, aber dort gibt es nur Tickets innerhalb Panama. Ich frage herum und bin abermals überaus Dankbar für mein grundlegendes Spanisch. Tickets gibt es an einem separaten Schalter. Der hat aber zu. Dann geht es daran, unsere Optionen abzuwägen. Wir nehmen ein Taxi zum nächstbesten Hostel und fragen nach zwei betten. Ein privates Zimmer mit zwei betten für dreißig Dollar kommt wie gerufen. Es ist zwar schon Mitternacht aber immer noch sehr warm und feucht. David gilt als die heißeste Stadt Panamas. Die Klimaanlage arbeitet die Nacht durch und wir schlafen umgehend ein. Ohrstöpsel und Kopfhörer sei Dank.