1EUR = 16N$
Ich bin zu Hause angekommen.
Zu meiner Linken ist eine ausgesprochene Schönheit, eine schwarze liebebedürftige Katze, welche sich auf der Couch neben mir entspannt ausrollt. Die Türen und Fenster sind offen und die Luft ist auch um viertel vor Neun noch angenehm warm. Das lokale Bier “Windhoek Lager” ist kühl und wohlschmeckend. Die Athmosphäre ist entspannt und ruhig. Ach fein. Aber ich greife vor und wir spulen zurück.
Wir steigen aus dem Flieger aus, wo die Leute umgehend noch auf dem Rollfeld stehend das Handy für ein Selfie mit dem Flugzeug und dem Flughafengebäude herausholen, auf welchem “Hosea Kutako International Airport, Welcome to Windhoek” steht. Das Sicherheitspersonal hat Mühe die Menge in die Eingangshalle zu bugsieren.
Wir werden von unserem Fahrer abgeholt, welcher für die Mietwagenfirma arbeitet, welche uns den Geländewagen für drei Wochen zur Verfügung stellen wird. Selbstverständlich für ein saftiges Entgelt von etwa 36.000 N$, also gut 2000 Euro. Dafür bekommen wir aber Vorführungen und Belehrungen, die es in sich haben. Seitenlange Verträge werden erklärt, was die Versicherung deckt und was nicht, wie die Tankanzeige funktioniert, wie man das Zelt entfaltet, wie der Vierradantrieb funktioniert und wie wir den Reifen wechseln. Nun ist all das wichtig und gut, aber dauert dann im Endeffekt doch knapp drei Stunden was darin gipfelt, dass wir einzeln die Messer und Löffel auf einem Klemmbrett abhaken. Wahrscheinlich die Frau des Fahrers lernt nebenbei auch noch ihre Tochter an, wie so eine Übergabe vonstatten geht. Es ist im übrigen die Firma Melbic. Ich werde mir eine Beurteilung für den Schluss aufbewahren. Als Plus haben sie drei Labrador Retriever und mit Hunden und Katzen fast aller Art wird meine Laune immer merklich gehoben. Nebenbei ist William ausschließlich dazu da, um unser Gepäck zu verladen und auf Kommando Reifen und Zelt zu präsentieren. Die Tatsache, dass er Dunkelhäutig ist, wirft bereits den Schatten voraus, dass die Hautfarbe immernoch ausschlaggebend ist für vielerlei Sachen, dem Beruf inklusive. Aber das alles Beiseite, bekommen wir einen Toyoto Hilux, welcher Top in Schuss ist, mit einem ausklappbaren Zelt auf dem Dach und ordentlich Stauraum.
Heilfroh den Wagen endlich zu haben, steuern wir unsere Unterkunft “Rivendell Guest House” an, wo wir überaus freundlich empfangen werden. Wir haben ein kleines aber ausreichendes und sauberes Zimmer. Das Bad und die Toilette ist auf dem Gang. Jene bereits eingangs erwähnte Katze lümmelt auf der Couch. Das Wohnzimmer verlängert sich auf die Terrasse. Das Gebäude ist, wie fast alle hier, mit einer hohen Mauer und einem elektrischen Zaun darauf ausgestattet. Das kenne ich bereits von Kapstadt und es hinterlässt nicht gerade ein wohliges Gefühl. Der Zaun wäre nicht da, wenn es nicht sein müsste.
Da es bereits dunkel ist, bestellen wir ein Taxi, welches uns in das Zentrum Windhoek bringt. Das ist zwar nur einen Kilometer entfernt, aber niemand hier rät uns an, des Nachts auf der Straße herumzulaufen. Auch ganz ähnlich wie in Kapstadt. Ob es nun übertriebene Vorsicht oder notwendige Vorsichtsmaßnahme ist, kann ich nicht beurteilen. Wir ziehen noch etwas Bargeld aus dem Automaten, welcher ebenfalls von einem Sicherheitsposten bewacht wird. Sicher und wieder wie weiße Reiche nach Hause chauffiert, verfallen wir in einen 12 stündigen Tiefschlaf.
Am Morgen machen wir uns dann auf in das Stadtzentrum, einmal zur Erkundung und andererseits um uns für die kommenden Tage im Supermarkt mit ausreichend Proviant zu versehen. Wir parken auf einem der unzähligen Parkplätze. Der Parkplatzwächter weist mich ein und fragt anschließend “Soll ich ein Auge auf dein Auto werfen?”. Ich bejahe mir denkend, dass dies bestimmt nicht schaden kann und ich ihm als Tourist wahrscheinlich eh vor Abfahrt ein paar Dollar in die Hand drücken muss oder sollte.
Die Stadt selber ist wirklich nicht groß, es sind glaube ich etwa 300.000 Einwohner ohne jetzt nachgeschaut zu haben. Die Straßen haben Namen wie “Independence Avenue”, “Beethovenstraße” und “Robert Mugabe”. Also ein wilder Mix aus afrikanischen und deutschen Einflüssen. Wir besuchen die Christuskirche, welche in zentrumsnähe aber auf einem recht steilen Hügel steht, damit sich die Leute auch verbeugen wenn sie oben angekommen sind, weil sie aus der Puste sind. Die Kirche selber ist klein aber sehr geschmackvoll ausgeschmückt. Nicht so prunkvoll voller Gold und Geschmeide wie so manche, aber mit farbigen Gläsern und einem geräumigen Altarbereich macht sie schon etwas her. Die Grundsteinlegung war 1907, was auch den deutschen Einfluss wiederum erklärt. Alle Inschriften und Aushänge sind ausschließlich in deutscher Sprache verfasst. Direkt neben der Kirche ist ein übergroßes Denkmal zu Ehren von Sam Nujoma, den Gründungsvater des Landes. Die Unabhängigkeit hat Namibia erst 1990 erhalten, nachdem, erst Deutschland, dann Südafrika und schließlich die UN selber das Land administriert hat. Direkt gegenüber ist die alte Realschule, die auch jetzt immernoch so heißt, aber als Verwaltungsgebäude des Nationalmuseum dient. Wir haben trotzdem ein Blick hinein geworfen, da Jeder Zugang hat und das eigentliche Museum, welches in einer alten Festung untergebracht ist, bis auf weiteres geschlossen hat. Dort finden wir einige Informationstafeln zu Kultur und Fauna des Landes, gesponsort von Deutschland und genauer dem Land Nordrheinwestfalen. Jetzt weiß ich auch, wo meine Steuergelder so angelegt werden. Wir kaufen noch eine SIM Karte, damit wir hier auch unterwegs telefonieren und ins Internet können, um Reservierungen zu tätigen. Falls der Mobilfunkempfang dies zulässt. Wir finden uns auch noch in einer örtlichen Apotheke wieder, um ein paar Antihistamine für Ruth zu erstehen. Dort bekommen wir eine profunde und ausführliche Beratung, bei der sogar ein Buch mit zu Rate gezogen wird, um mögliche Nebenwirkungen zu erörtern. Vorbildlich. Dass die Apothekerin Deutsche ist, verwundert mich nicht. Überhaupt ist der deutsche Einfluss hier weiterhin sehr deutlich spürbar, auch wenn es schon seit nun bereits über hundert Jahren keine Kolonie mehr ist. Aber irgendwie merke ich auch, dass der Einfluss recht alt ist, weil sich die Leute auch so geben, als stammen sie aus einer etwas anderen Zeit. Es ist schwierig zu erklären, aber die Deutschen sind hier deutscher als in Deutschland. Traditionell und teilweise wirklich spießig. Die Wortwahl ist sehr differenziert. Ein Erklärungsversuch anhand eines Beispiels.
Wir kommen in einen kleinen Buchladen, wo neben dem Eingang hinter einer schwer beladenen Bücherwand ein Herr so Mitte fünfzig sitzt, weißes Hemd, Haare elegant zurückgekämmt, eine Runde Brille sitzt locker auf dem Nasenbein. Nachdem wir uns kurz umgeschaut haben setze ich zur Frage nach dem gewünschten Buch an. “Would you have a book on namibian birds?”. Er schaut schräg zu mir hoch mustert mich nur kurz, und erwidert auf Deutsch “Der Konjunktiv, ja ja”. Er macht eine kurze Pause. “Da hört man den deutschen Einfluss heraus, ja. Bücher über Vögel in Namibia…hmmm…” Er dreht sich um.”Nein sowas habe ich hier leider nicht aber versuchen sie es in der Buchhandlung um die Ecke.”
Wir kommen im Endeffekt zu unserem Buch, welches leider zu Hause nicht rechtzeitig geliefert wurde. Postwendend wird das Buch dann auch zehn Minuten später zu Rate gezogen, als wir einen “African Greyhornbill” singend in einem Baum beobachten.
Ich gehe immer gerne in anderen Ländern in den Supermarkt, weil er viel über Land und Leute aussagt und das live und in Farbe. Wir besuchen “shoprite”. Neben abenteuerlichen Fleischauslagen und Reissäcken zu fünf Kilo will ich aber eher von den Menschen berichten. Am Obststand muss klassischerweise alles einzeln abgewogen werden. Dafür gibt es in der Abteilung sechs Mitarbeiter und zwei Waagen. Wir kommen an Waage Nummer eins an, legen vier Zwiebeln auf und drücken die entsprechende Taste. Nichts passiert. Ruth schaut an der Seite der Waage und sieht, dass die Rolle leer ist, die die Preisschilder druckt. Ich schaue zu den drei Mitarbeitern, welche gegenüber der Waage an die Gefriertruhe angelehnt sich. “Die Rolle ist leer”, werfen sie mir trocken entgegen, machen aber keinerlei Anstalten, diesen Umstand auszuräumen. Wir werden an Waage Nummer zwei verwiesen, denn keiner der Drei scheint in der Laune oder Lage, das Band zu wechseln. An Waage Nummer zwei steht ein einzelner Bursche, sehr jung, wahrscheinlich der Azubi oder Praktikant, der bei der Waage eine ordentliche Warteschlange abzuarbeiten hat. Die Kunden legen die Waren nämlich nicht selber auf die Waage, das macht der Mitarbeiter. Ruth versucht ihn davon zu überzeugen, die Äpfel nicht einzeln in Plastiktüten zu verpacken. Das stößt bei dem jungen Mann auf absolutes Unverständnis, und bringt bei den anderen zwei Mitarbeitern der Waage zwei ein breites Grinsen auf dem Gesicht hervor. Sie sind lässig an einen Transportwagen angelehnt und sehen sich ebenfalls außer Stande, etwas an der Situation zu verbessern. “Nicht mein Job” ist da die klare Einstellung. Natürlich bekommen wir dann unser Obst etikettiert, aber die Umstände rechtfertigen diese kleine Erzählung.
Wir kommen an der Kasse an. Es ist eine von bestimmt fünfzehn Kassen. Es ist der Dienstag nach dem Osterwochenende und die Leute müssen ihre Vorräte aufstocken. Vor uns ist ein Mann und legt seine Waren auf das kurze Band. Als er fast fertig ist, lässt er jedoch den Beutel Äpfel und zwei weitere Waren samt dem Einkaufswagen einfach zurück, mitten im Weg vor uns, bezahlt und geht seines Weges. Ich schaue meine Frau ungläubig an, aber wenigstens liefert dies die Erklärung, warum im Kasenbereich jede Menge Wagen mit ein paar Artikeln ohne Besitzer chaotisch im Wege stehen. Nach dem Motto “Ich bin fertig, den Rest brauche ich nicht, Tschüss”
Am Ausgang des Supermarketes werden wir noch von einer Frau bekniet, ihr ein paar Dollar zuzustecken. Bereits im Laden hat mich eine Frau gefragt, ob ich nicht ihren Einkauf bezahlen möchte und mehrere spitzfindige Geschäftsleute auf der Straße haben uns versucht allerlei Waren feilzubieten. Die Ungleichheit und Armut ist recht spürbar in der Stadt, auch wenn sie nicht mit dem bloßen Auge sichtbar aber erlebbar ist, wenn man durch die Straßen wandelt. Aber das ist in Dublin auch nicht anders und wohl auch leider in weiten Teilen der Welt verbreitet, wenn man mal hinter die Fassade blickt. Aber wie dem auch sei, wir haben ausreichend Wegzehrung ins Auto geladen um morgen in die Landschaft aufzubrechen und den Teil Namibias zu erleben, weswegen wir eigentlich angereist sind. Ich melde mich wieder aus der Wüste.