29.03.16
29.03 23:07 Uhr
1 Euro = 35 Peso
Nach knappen drei Stunden Schlaf wachen wir etwas zerzaust und zu früh in unserem Hotelzimmer in Tacuarembo auf. Da wir erst um 12 Uhr das Hotel und unser Zimmer verlassen müssen, machen wir uns erstmal auf Richtung Frühstück. Dem Hotel sieht man sein Alter an und es war bestimmt mal auf dem neusten Stand so vor vierzig Jahren. Die Klimaanlage stammt vom guten alten Westinghouse oder wenigstens von seiner Firma. Das Frühstück ist wie so oft hier zweckmäßig aber haut jetzt wirklich keinen aus den Latschen. Das W-LAN muss man auch zwei oder dreimal bitten, bis es dann endlich funktioniert. Ich hatte bei einer Ranch angefragt, ob wir dort für ein paar Tage bleiben können, um das Landleben hier besser kennenzulernen, aber der nächste verfügbare Termin ist erst Ende April. Somit packen wir unsere sieben Sachen und machen uns auf Richtung Busterminal.
Neben den Schaltern der verschiedenen Busunternehmen gibt es dort auch ein kleines Touristenbüro. Die eigentliche Attraktion darin ist aber die Frau, die uns weiterhilft. Eine gute Seele wie sie im Buche steht. Nett, freundlich, entspannt, hilfreich, gut informiert und motiviert. Sie macht uns neben einem Ranchbesuch für die nächsten Tage auch noch eine Unterkunft für diese Nacht klar, da die Ranch erst ab morgen wieder Platz verfügbar hat. Die Frühlings- und Herbstsaison sind dafür besonders beliebt weil dann etwas auf dem Land passiert und man trotzdem nicht vor Hitze eingeht. Ich spreche mit zwei verschiedenen estancias direkt per Telefon und wir entscheiden uns für Yvytu Itaty. Wenn ich hier ein lokales Telefon hätte, würde ich alle Reisereservierungen so vornehmen. Das klappt hier neben E-Mail nämlich einfach noch am besten und direktesten.
Bevor wir uns zur “hospedaje marger” aufmachen, schauen wir noch nach unseren Optionen für die Weiterreise. Wir wollen nach Punta del Diablo zur Ostküste Uruguays. Dies von unserem Standort aus über das Landesinnere zu machen, scheint aber kaum möglich und schon garnicht sinnvoll zu sein. Wir entscheiden uns als nächsten Verbindungspunkt wieder Montevideo anzupeilen. Anders ist das nicht wirklich machbar.
In unserer Unterkunft, einer Mischung aus Hotel, Hostel und Gästeunterkunft werden wir wie hier üblich äußerst herzlich empfangen. Das Zimmer ist sauber und ausreichend groß inklusive Bad. Das Frühstück sparen wir uns, da das hier wie bereits erwähnt meist nicht von besonderer Qualität ist.
Wir erkunden die Stadt. Des Öfteren wenn wir auf unsere Karte gucken, sprechen uns Leute an, was wir suchen und ob sie uns weiterhelfen können oder erzählen uns einfach von Sachen, die man sich anschauen kann. Der Ort ist nicht sehr touristisch und die Leute sind herzensgut zu uns. Wir schauen uns einen Park am Ende des Ortes hinter der Brücke an. Hier scheint es ab und zu Pferdeshows zu geben. Heute ist hier jedoch tote Hose. Es geht ein leichter, angenehm warmer und trockener Wind durch Tacuarembo. Wir suchen dann noch eine Bank in der halben Stadt, bis wir drei auf einmal entdecken. Wir holen die hier für uns maximal mögliche Menge von 5000 Peso ab, was so circa 150 Euro sind. Damit kommt man hier schon recht weit und es deckt auch den Aufenthalt auf der Ranch.
Nach einem äußerst wohl verdienten Mittagsschlaf schauen wir abends noch das Qualifikationsspiel von Uruguay gegen Peru, was Uruguay 1:0 für sich entscheidet. Es geht bereits um die WM in Russland im Jahr 2018. Das Essen kommt wie hier öfters der Fall direkt von einem riesigen Holzgrill und schmeckt wirklich gut. Auch ein frischer Salat vom Buffet ist mit dabei.
Des Öfteren drehen hier sowohl Autos als auch Motorräder ihre Runden. Letztere sind einfach nur natürlich sehr laut hier. Autos hingegen möchten mit ihrer schallend lauten Musik und dem Bassantrieb beeindrucken. Asis gibt es halt überall. Ohne sie wäre die Welt ein bisschen langweiliger.
30.03.16
30.03.16 22:05 Uhr
Während Ruth noch unter der Dusche ist, gehe ich einmal um die Ecke zu einem großen Bäcker. Diesmal bin ich schlauer und anstatt einfach wie ein unwissender Tourist zur Theke zu gehen, ziehe ich eine Nummer, gehe mit der Nummer zur Theke und werde prompt bedient. Croissants, Gebäck, Churros, Kuchen, Torten…das Angebot ist vielfältig. Teilweise aber auch etwas gewöhnungsbedürftig, da ein kleines Schokoteilchen schonmal mit Banane gefüllt sein kann. Zusammen mit der Ananas, welche wir gestern noch im Supermarkt erstanden haben, macht das ein gutes Frühstück.
Um zehn Uhr pünktlich holt uns Pedro mit seinem Pickup für die Ranch ab. Hinten hat er geschätzt hundert Liter Wasser in Plastikflaschen geladen. Nach einem Stück Landstraße Richtung Montevideo biegen wir dann nach rechts in einen staubigen Weg ein.
“Du kannst dich abschnallen. Hier kommt kein Verkehr” gibt Pedro zu verstehen. Der einzige Verkehr besteht in der Tat aus ein paar Rindern. Die Ranch selber liegt von Bäumen gesäumt am Ende des siebzehn Kilometer langen Weges. Seine Frau, der Sohn und der Hund begrüßen uns dann ebenfalls. Zum Glück macht niemand Anstalten, hier English zu sprechen, sodass ich hier endlich mal ordentlich mein Spanisch testen kann. Viele Leute in den Städten oder touristischen Orten sprechen hier Englisch. Wir haben ein Privatzimmer im gleichen Haus wie auch der Rest der Familie. Außer uns ist sonst kein Gast hier.
Es gibt hier täglich drei Mahlzeiten sowie Kaffee und Kuchen am Nachmittag, was in dem Preis von 4000 Peso oder 135 Dollar pro Tag für zwei Personen beinhaltet ist. Und die Investition lohnt sich. Das Essen ist hier wirklich hausgemacht. Die Zutaten kommen direkt von der Farm oder umliegenden Bauern und Händlern. Alles ist frisch und mit Liebe zubereitet. Ein alter Drehtisch sorgt dafür, dass man immer alles schnell zur Hand hat. Es gibt zum Nachtisch etwas Süßes oder Obst. Wir essen zum ersten Mal hier Reis, da Restaurants meist nur Pommes oder Nudeln im Angebot haben. Der Kuchen ist frisch gemacht und wird mit etwas Dulce de Leche serviert.
Nach dem Mittagessen sagt Pedro, dass jetzt erstmal Siesta ist und es um drei weitergeht, wenn die Sonne nicht mehr so hoch am Himmel steht. Wir legen uns im Garten in den Schatten und werden nur zwischendurch von einem kleinen Welpen besucht, der mit Liebe in Arme, Beine oder Schuhe beißt. Er ist fünf Monate alt und wird wohl auch mal als Herdenhund eingesetzt werden. Hier gibt es keine störenden Geräusche, weil es kaum Strom gibt und auch keine Nachbarn. Keine lärmenden Autos oder Motorräder, weil es keine Straße gibt. Keine Gebimmel von Smartphones, weil es kein Internet gibt. Ein Traum. Ich halte ein zünftiges Nickerchen.
Um drei lässt Pedro die Pferde anspannen.
Es müssen zwei Herden von Rindern zum Haus getrieben werden. Als hoch aufs Ross und dann geht es gemächlich Richtung Feld. Natürlich habe ich mir vorher einen passenden Hut mit breiter Krempe geborgt. Auch habe ich aus meinem letzten Ausritt noch in Erinnerung, dass eine lange Hose und lange Socken den Schmerz lindern. Die Weiden und das Grasland von Pedro gehen soweit wie das Auge reicht. Die erste Herde ist recht schnell zusammengetrieben, da sie nah im Hof steht. Die andere jedoch ist erstmal mit dem bloßen Auge garnicht erkennbar. Da der Boden teilweise recht steinig ist, geht es auch nur im Schritttempo voran, was mir auch durchaus lieb ist. Ich habe wieder ein Pferd bekommen, das meine Charakterzüge teilt. E ist etwas gemächlich unterwegs aber wenn es nach Hause Richtung Heimat geht, legt es schonmal gerne einen Zahn zu.
Pedro versteht sein Handwerk und mit lauten wie Krusty dem Clown aus den Simpsons gewinnt er erst die Aufmerksamkeit der Rinder und überredet sie dann, sich in Bewegung zu setzen. Das Gelände ist nicht ganz einfach und kleine Flüsse oder Rinnsale durchziehen das Weideland. Nach insgesamt drei Stunden auf dem hohen Ross sind aber auch die anderen Rinder wieder zu Hause angekommen. Sie brauchen ein paar Medikamente.
Vor dem Abendessen reicht uns Pedros Frau noch ihren Mate. Der schmeckt mir immer besser und besser und ich werde definitiv etwas mit nach Hause mitnehmen. Vor dem Bett gehen wir noch nach draußen. Wo vorher ein imposanter Sonnenuntergang das Auge erfreut hat glitzern nun die Sterne am Nachthimmel. Es ist klar und so viele Sterne habe ich selten in meinem Leben gesehen. Eine ganze Masse zieht am Himmelszelt daher. Ich fühle mich klein aber ganz bei mir.
31.03.16
01.04.16 14:38 Uhr
Die Nachtruhe endet um Viertel vor Acht mit dem Schellen des Weckers. Hier geh die Uhr nun mal etwas anders und man richtet sich nach den Zeiten von Mutter Natur und nicht wie lange die Kneipe offen hat. Zum Frühstück gibt es neben Brot und Kaffee/Tee auch Joghurt, Honig und Dulce de Leche. Das Wetter ist mal wieder vom Feinsten und so reiten wir heute abermals auf das Feld hinaus. Erst aber werden die Kühe, welche wir gestern vom Feld zum Hof getrieben haben gegen Zecken geimpft. Diese sind hier in letzter Zeit häufiger verbreitet und übertragen tödliche Krankheiten wie beispielsweise Fieber. Das Medikament muss alle 45 Tage gespritzt werden. Dazu werde sie durch einen engen Gang getrieben, wo sie dann in einer Reihe einzeln eine Spritze versetzt bekommen.
Zwei Schafe von der gestrigen Herde haben eine Verletzung an den Füßen, wogegen ein lilafarbenes Mittel aufgetragen wird.
Zusammen mit Pedro und seinem Sohn Matti/Matthias gilt es dann noch eine verlorene Kuh zu suchen. Kühe zu finden ist hier nicht schwierig, aber eine bestimmte Kuh, die dem Nachbarn entbüchst ist, ist ein weit anstrengenderes Unterfangen. Wir reiten meist im Schritt über das steinige Gelände und durchqueren kleine Flüsse. Die Pferde sind nicht beschlagen und haben deshalb auch ihre liebe Mühe. Meist finden Sie aber selber den Weg, der Ihnen am besten passt. Mein Zosse ist heute auch etwas antriebsfreudiger als gestern. Die Sonne scheint warm auf das flache Land und es geht kaum ein Lüftchen. Ohne Sonnencreme wäre ich abends wohl gar.
Obwohl wir am Vormittag und nach der Siesta auch am Nachmittag jeweils zwei bis drei Stunden Reiten, trage ich keine größeren Blessuren davon. Aber das liegt wohl auch an unserem gemächlichen Tempo.
Wir werden auch immer von ein bis zwei Hunden begleitet, die beim Zusammentreiben der Herden behilflich sind.
Am Nachmittag bringen wir eine Herde Schafe nach Hause, die aber weit agiler und frecher agieren als das Rindvieh. Weitaus weniger gemächlich erdreisten sich einige Exemplare immer wieder einfach stehen zu bleiben oder kackendreist eine Lücke in der Verteidigung zu suchen und auszubüchsen. Gegen Ruth und mich haben sie eine Chance, gegen Pedro und Matti aber nicht. Am Ende des Tages sind alle dort wo sie sein sollen.
Nach dem Abendessen genießen wir draußen noch die klare Luft, welche abermals einen träumerischen Blick in die Sterne gewährt. Zwei der drei Hofhunde spielen hier. Um zehn vor zehn sind wir dann auch im Bett. Das würde ich zu Hause nicht mal unter der Woche an einem schlechten Tag schaffen, aber mangels jeglicher Art von Ablenkung und Bespaßung geht man hier halt eher nach der inneren Uhr schlafen als nach der künstlichen 24 Stunden Uhr.
01.04.16
01.04.16 15:04 Uhr
Heute heißt es Abschied nehmen von dieser sehr netten und gastfreundlichen Familie, welche uns in recht kurzer Zeit doch einen guten Einblick gegeben hat was es heißt, sich um das Fleisch zu kümmern, was wir abends auf dem Teller vorfinden. Reizvoll aber auch hart.
Vor der Abreise melken wir noch eine Kuh. Sagen wir mal wir versuchen es. Pedro macht es vor, aber unser Versuch ist nur von mäßigem Erfolg gekrönt. Wenn es an uns läge, gäbe es morgen wohl keinen Joghurt. Gegen Pedros geschmeidige Handbewegung kommen wir einfach nicht an. Er holt aus der Kuh innerhalb weniger Minuten locker 1-2 Liter raus. Wir hatten lediglich eine Pfütze in der Plastikkanne produziert.
Beim Frühstück hatte uns Nadir, Pedros Frau, vom Museum und vor allem von Carlos Gardel erzählt, welcher eine Tangolegende ist und dessen Herkunft mehr oder weniger umstritten ist. Er hat die argentinische Staatsbürgerschaft aber viele Hinweise deuten darauf hin, dass er in Tacuarembo geboren ist. Für die Leute hier ist das so sicher wie, dass die Falklandinseln zu Argentinien gehören. Auch wenn man bei letztem weiß, dass das schlichtweg nicht stimmt. Sie erzählt euphorisch von ihm und seinem wilden Leben. Eine Mischung aus Frauen, Leidenschaft, Musik Tango und Verrücktheit.
Es gibt noch ein Photo von Ruth und mir für das Album der Familie und im Gegenzug ein Photo mit allen zusammen für mich.
Das Museum liegt etwas außerhalb von Tacuarembo und es ist jetzt nicht gerade der Bär los. Für 85 Dollarcent ist man aber auch schnell durch, da es sich meist um eine Sammlung aus Photos, Berichten und Zeitungsartikeln handelt. Wichtiger scheint eher zu sein, dass er hier geboren ist und nicht, was für ein toller Hecht er war. Sein Vater jedenfalls schien nicht anbrennen zu lassen beim weiblichen Geschlecht, weswegen er als uneheliches Kind auch von einer Französin aufgezogen wurde.
In der Nähe warten weitere Attraktionen wie eine alte Bahnhaltestelle und eine Holzhängebrücke auf uns. Klassische Provinzsehenswürdigkeiten aber doch nett anzusehen, da alles in das grüne “Valle Eden” eingebettet ist. Am Wochenende geht hier ordentlich die Luzi ab und viele Familien kommen aus der Stadt um hier im grünen den Tag zu verbringen.
Pedro bringt uns zurück zum Busterminal und wir nehmen nach dem Mittagessen den Bus nach Montevideo. Wir hatten eigentlich vor, die letzte Woche an der Küste Uruguays in Punta del Diablo zu verbringen, aber die Wettervorhersage beschränkt sich auf Regen für die ganze Woche.
Somit wissen wir bisher nicht, wo wir heute Abend in Montevideo schlafen, noch für wie lange oder was wir danach machen. Der Klassiker halt.