Cabo de gata

30.09.2018

 

Es ist Sonntag, und da zieht es meine Frau kategorisch in Richtung Kirche. Auch wenn sie sonst mit der Orientierung zeitweise Aussetzer hat, findet sie diesen Ort problemlos. Die alte Kirche ist direkt am Zentralmarkt, der heute geschlossen hat. Der große Innenbereich ist bis auf ein paar Touristen leer. Die Messe findet in einem Nebenbereich statt, wo sich etwa 25 Leute versammelt haben. Der Priester kann nur noch langsam am Stock gehen, und auch im Publikum scheine ich mit 31 Jahren der Jüngste zu sein. Es ist aber somit eine nette familiäre Atmosphäre und wird nicht von Besuchern gestört.
In der Predigt wird rundum ausgeholt. Der Reichtum verdirbt die Menschen. Die materiellen Güter sind korrumpiert von der Gier. Der einzig richtige Weg ist die Nächstenliebe, Ehrlichkeit, regelmäßiges Beten und die Verbundenheit zur Kirche. Dies erfährt nur teilweise meine Zustimmung, denn der gute Herr hält die Predigt an einem Altar, der locker dreißig oder vierzig Meter hoch mit feinen Ornamenten und massenweise Gold geschmückt ist. Die Ironie, welche von den Decken und Wänden tropft, perlt lässig von seiner weißen Kutte ab.
Nach dieser Gardinenpredigt machen wir uns auf zu einer Landpartie. Denn das Ziel ist der Naturpark “Cabo de Gata”, welcher in einem der trockensten und sonnenscheinverwöhntesten Teile Spaniens liegt.
Auf unseren etwa vierstündigen Reise kommen wir an einer bizarren Tankstelle vorbei. Sie liegt auf einer alten “Version” der jetzigen Landstraße und ist nur über eine lange Sackgassenstraße erreichbar. Wir landen dort eher durch Zufall. Der Besitzer und sein Hund scheinen mit dem Ort verwachsen. Außer uns ist kein Kunde da. Die Scheiben sind gesplittert, die Kaffemaschine kaputt und die meisten der Kühlschränke leer. Die meisten Toiletten sind ebenfalls außer Betrieb. Es weht ein Hauch von Endzeit durch die Luft. Das Straßenplanungsministerium scheint den guten Mann einfach abgeschnitten zu haben.
Wir fahren weiter. Die Berge zu meiner rechten Türmen sich in Schichten auf. Es scheint immer noch einen höheren Berg im Hintergrund zu geben. Es sieht fast aus wie eine Pappwand aus den alten Filmen der sechziger Jahre.
Wir kommen in unserer Unterkunft an. Die Straße dorthin ist pechschwarz, wilde Tiere huschen über die Straße. Verdorrte Büsche und Kakteen sind am Wegesrand auszumachen. Ein Fuchs quert die Straße.
Die Anlage selber ist sehr stimmig beleuchtet, mit vielen Sitzmöglichkeiten draußen, einer Schaukel unter dem Baum, einem kleinen Pool und einer kleinen Bar am Abend. Denn ohne Auto ist hier nicht weiter zu erreichen. Der nächste Ort und somit Strand ist vier Kilometer entfernt. Das wird morgen bei Tageslicht begutachtet.

 

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01.10.2018

 

Heute haben wir das Dorf “agua amarga”, was “bitteres Wasser” bedeutet, am Tage besucht. Das Wasser ist wie erwartet gar nicht bitter sondern bietet einen langen und zumindest Anfang Oktober wenig frequentierten Strand. Das Wasser ist wie überall hier einladend warm und das kleine Dorf liegt direkt am Strand.
Danach sind wir am Nachmittag noch ein wenig mit dem Auto durch die Gegend gefahren, um die umliegenden Straßen und Dörfer zu erkunden. Dabei sind wir in “las negras” gelandet, welches das nächste Dorf im Süden an die Küste ist. Hier liegt so gut wie alles an der Küste. Ein kleines Dorf ähnlich “agua amarga”, aber der Strand ist wenig einladender.
Auf dem Rückweg sind wir dann noch zum Strand “calilla del playazo” gefahren, wo außer ein paar Campingwagen wenig los ist. Wie hier generell in der Gegend hier um die Jahreszeit wenig los ist. Am Abend habe bin ich noch etwas mit der Kamera durch “agua amarga” gestreift. Aber seht selbst…

 

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02.10.2018

 

Heute steht die Route der Piraten auf dem Plan, auch wenn das nicht wörtlich zu nehmen ist, da ein Plan bei mir und uns selten existiert. Wer aber existiert hat und auch hier war, sind die Piraten. Diese sind vor allem im sechzehnten Jahrhundert hier gerne vorbeigekommen und haben mal ein bisschen die Möbel geradegerückt und ein paar Dörfer gebrandschatzt. Ein paar alte Ruinen erzählen von ihrer Geschichte.
Unsere erste Station ist der Strand “San Pedro”, welcher etwa ein bis zwei Gehstunden von “las negras” entfernt liegt. Alternativ kann man das Boot nehmen in etwa 15 Minuten, denn eine Straße führt nicht zu dem Strand.
Nach etwa 1,5 Stunden in der späten Morgensonne kommen wir an die Bucht. Sie ist geprägt von einer alten, kleinen Befestigungsanlage, welche schon seit langem vor sich hin bröckelt. Ein paar Aussteiger oder Hippies haben hier alte verlassene Wohnungen wieder bezogen, wenn man das so ausdrücken will. Manche sind aus Stein, manche aus Holz und einige Leute haben hier ihre Zelte aufgeschlagen. Wir gehen an einer kleinen Quelle vorbei, die die Behausungen mit Trinkwasser versorgt. Strom gibt es hier nicht, zumindest nicht per Leitung. Der Strand selber ist ein Traum. In einer Bucht gelegen und von Vulkanfelsen umarmt, ist das Wasser türkis und der Strand ist bis auf ein paar steinige Ausnahmen mit feinem Sand gesegnet. Ein paar Leute tummeln sich hier. Einige hausen hier, manche sind nur zu Besuch. Die meisten sind aber nackt, so wie sich das für Hippies gehört. Also möchte ich hier auch niemandem auf den Fuß treten und präsentiere mich ebenfalls im Adamskostüm. Als Westdeutscher eher ungewohnt, ist es eine neu entdeckte Freiheit. Es gibt keine Autos, keine Strandhändler, keine Partyboote oder sonstigen kommerziellen Schnick-Schnack. Ein Segelboot und einige wenige Motorboote liegen am Strand. Die meisten Leute bevorzugen das Wasser. Ein paar Hunde und Katzen sind ebenfalls am Strand anzutreffen. Man sieht direkt wer einheimisch und wer Tourist ist. Letztere haben einen weißen Hintern, die Anderen sind rundherum braun. Und von denen sind die meisten ausgesprochen gut gebaut und man sieht, dass kein Mac Donalds in der Nähe ist und man jegliche Nahrung mühsam heranschaffen muss. Wir genehmigen uns ein Getränk in der einzigen “Bar” die geöffnet hat. Es ist einfach eine Hütte mit gutem Ausblick und die beiden, ebenfalls nackten, Besitzer scheinen sich hier wohl zu fühlen.
Da es gerade nichts zu essen gibt und es auch langsam dem Abend zugeht, entschließen wir und einen Mann anzusprechen, der sich neben seinem kleinen Boot vor einer Stunde niedergelassen hat. Er sitzt einfach dort und schaut herum und sieht so aus, als könnte er uns den Rückweg zu Fuß ersparen. Ich spreche ihn an und er sagt, das sei schon möglich, aber er würde dafür Geld verlangen. Er nennt einen Preis von dreißig Euro für uns Beide. Aber nicht ohne zu erzählen, dass uns eine angenehme und lehrreiche Bootstour bevorsteht. Ich denke einen Moment darüber nach, ihn herunterzuhandeln. Aber das wäre dem Ort nicht angemessen und er macht einen sehr freundlichen Eindruck. Außerdem ist er der einzige mit einem Boot weit und breit der gerade zugegen ist. Ich überwinde also meine ängstliche Vorsicht gegenüber kleinen Booten, welche ich in Norwegen und Kolumbien aufgeschnappt habe. Er tuckert ganz bedächtig über die recht ruhige See. Er heißt Miguel. Miguel erzählt ein wenig was über sich aber noch mehr über San Pedro.
San Pedro war das erste Dorf hier in der Gegend und es wurde im sechzehnten Jahrhundert aufgrund der Piratengefahr mit einem Turm bestückt, welcher die Kommunikation mittels Brieftauben ermöglichte. Auf Trassen, dessen Ruinen heute noch auszumachen sind in der Nordseite des Dorfes, wurde Ackerbau betrieben um die Menschen mit Nahrung zu versorgen.
Im umliegenden Meer befinden sich sieben unterirdische Vulkane. Einer davon hat sich 1920 zum Ausbruch entschlossen. Das Dorf selber wurde kaum beschädigt, aber es wurde einige Seeleute in den Tod gerissen, da das Dorf zu einem guten Teil vom Fischfang lebte. Entsprechend der spanischen Tradition trugen die Witwen schwarz und einige von ihnen zogen später nach “las negras”, welches übersetzt “die Schwarzen” bedeutet. Dies ist eine der vielen Geschichten, wie der Ort zu dem Namen gekommen ist. 1970 wurde das Dorf dann verlassen, einfach weil es keinen Straßenzugang gab und die Leute nach “las negras” umgezogen sind, um sich das Leben etwas leichter zu machen. Vor etwa 25 Jahren kamen aus genau diesem Grund die Hippies an diesem Ort, weil er ruhig und schwer zu erreichen ist. Sie ließen sich in den Ruinen des verlassenen Dorfes nieder und zählen nun etwa zwanzig bis dreißig ganzjährige Einwohner. Wahrscheinlich eins meiner prägendsten Ereignisse bisher hier in Spanien, da die Menschen in San Pedro nach ganz anderen Vorstellungen und im Grunde in einer komplett anderen Welt wohnen. Keiner hat eine Adresse oder einen Briefkasten. Sie leben von der Sonne, der Liebe und natürlich auch ein wenig von den Touristen. Sie haben unserer modernen Welt den Rücken zugekehrt und leben hier in ihrer eigenen Version der Realität. Eine zumindest für mich in Teilen sehr beneidenswerten Realität.

 

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03.10.2018

Heute haben wir dann unsere Piratenroute fortgesetzt, die wir gestern nur bis zur zweiten Station geschafft hatten. Auf dem Weg sind wir zum Strand “cala de plomo” gefahren. Er liegt zwischen “las negras” und “agua amarga” und ist mit dem Auto über eine etwa sieben Kilometer lange Schotterpiste zu erreichen. Mit Stränden ist dieser Abschnitt der Welt einfach gesegnet. Hier gibt es nur ein paar Häuser und auch keinerlei Restaurants oder Läden. Nur die Ruhe selber ist vorhanden. Und wie überall hier an den Stränden, wenn sie nicht direkt an Orten liegen, wird FKK praktiziert, was in Irland schon aufgrund der Temperaturen absolut unüblich ist.
Nach ein paar Stunden machen wir uns auf den Weg ins nördlich gelegene “campohermoso”. Eigentlich nur zum tanken, jedoch ist es trotzdem eine Erwähnung wert. Dieses Dorf liegt nämlich außerhalb des Naturschutzgebietes und ist absolut zugepflastert mit Gewächshäusern. Wir sehen dutzende von Leuten auf dem Fahrrad, die auf dem Weg zur Arbeit in eben jenen Gewächshäusern bergauf ordentlich in die Pedale treten müssen. Allesamt schwarzhäutig. Auch liegt an vielen Ecken ordentlich Müll herum, um den sich hier leider wenig gekümmert wird. Beim Immobiliemakler um die Ecke wird ein Haus fünf Minuten vom Strand mit vier Schlafzimmern angeboten, für 180.000. Dafür gibt in Dublin gerade mal ein Schlafzimmer, mit undichter Decke. Es regt zum Nachdenken an, wie so vieles hier. Am späten Nachmittag geht es dann weiter und wir besuchen eine weitere alte, nun zu Ruinen zerfallene Burg, die nurnoch zu erahnen ist. Am Nahe gelegen Strand ist der Aufenthalt leider nur von kurzer und wenig erfreulicher Dauer, da Ruth von einer Qualle gestochen wird. Das brennt wie Hulle, und da sie immer etwas panisch auf Stiche im generellen reagiert, bringe ich sie zum Krankenhaus nach Retamar, damit die Ärztin einen Blick darauf wirft. Natürlich alles halb so schlimm und mit einer Spritze und einer Salbe abgehandelt. Aber die Schnelligkeit und Effektivität die in dem Krankenhaus herrscht, ist beeindruckend.
An der Rezeption der Notaufnahme geben wir ihr Leiden auf, die Daten werden notiert. Eine Minute später, ungelogen, kommen wir zur ersten Ärztin die den Befund stellt. Stich einer Qualle, nicht so wild. Dann etwa fünf bis zehn Minuten später kommen wir zur zweiten Doktorin. Qualle, keine Problem, Spritze und Salbe. Das macht die Krankenschwester, die in einer Minute zur Tür hinein und wieder raus ist. Da wir in der EU leben, kostet uns das ganze Unterfangen nichts und wir sind in fünfzehn Minuten wieder aus dem Krankenhaus raus. Absolut beeindruckend. In Irland und Deutschland kann man bei der Notaufnahme an Altersschwäche sterben. Wenn es darauf ankommt, sind die Spanier echt fix und auf Zack. Das hätte ich von einem eher ländlichen Krankenhaus nicht erwartet. Morgen geht es dann gut versorgt weiter nach Granada, wo wir meinen Freund Daniel treffen, der uns herum führen möchte. Die Einladung nehmen wir selbstredend gerne an.

 

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