Ketambe

22.04.2017
Nachdem wir um ein gutes Stündchen länger geschlafen haben als geplant, wenden wir uns dem Frühstück zu. Danach fängt das Schauspiel um die Bezahlung der Unterkunft an. Ich muss dazu sagen, dass die beiden Leute, die bei unserer Ankunft präsent waren, auch nicht ein Wort Englisch konnten. Sie hatten uns nur ein Buch mit verschiedenen Listen, Namen und lauter Zahlen gegeben. Ich dachte, dass sei eine Auflistung über die letzten Reparaturen des Hauses oder irgendein Firlefanz. Wir wussten also garnicht, wieviel die Unterkunft kostet. Dann wollte man uns noch 100.000 extra für das Frühstück abknöpfen, was aus zwei Toasts mit Tee bestand. Die Besitzerin reagierte trotzig wie ein kleines Kind und vergaß in einer temporären Amnesie ihr zuvor recht passables Englisch. Der Sohn druckste rum als wir ihm sagten, dass keiner uns über Kosten für das Frühstück aufgeklärt hat. Da keiner aus der Bande zu einem klaren Wort kommt, lassen wir das Geld dort einfach zurück und gehen aus dem Haus. Auch ist der Mitarbeiter der Touristeninformation, mit dem wir die Tour zum Vulkan gemacht haben, der ausgesprochene Feind des Sohnes der Besitzerin. Alles ein großes Drama ums liebe Geld. Wenn man den Hals nicht voll kriegt.
Wir brechen dann zusammen mit dem deutschen Pärchen Jana und Markus auf und halten einen Kleinbus an, welcher uns zum Busterminal in die Stadt bringt. Naja, ehrlich gesagt ist dies einfach ein kleines Restaurant, wo ab und zu ein Bus von Medan nach Kutacane durchfährt. Wir genehmigen uns dort also noch einen Tee bzw. Kaffee bevor es dann im nächsten Minibus los geht zur circa 4-5 stündigen Fahrt. Der Hobel ist voll beladen und hinter uns sind noch ein paar Hühner im Pappkarton, welche im offenen Kofferraum verstaut sind.
Am Anfang fahren wir auf mäßiger Straße über Serpentinen durch das Hochland. Die Luft ist weiterhin angenehm und der Fahrer flott aber sicher unterwegs. Das Wetter ist sonnig und der Fahrtwind fliegt uns um die Ohren. Zum Glück gibt es diesmal keine ohrenbetäubende Musik und ich kann melancholisch die Landschaft an mir vorbeiziehen lassen. Ach wie ich das liebe. Später dann kommen wir ins Tiefland, welches von Mais- Kakao- und Reisfeldern dominiert ist. An den Straßenrändern liegen kilometerweit die Bohnen zum trocknen aus. Dann ist Ende der Fahrt und wir werden an einer beliebig aussehenden Straßenecke rausgelassen. Übrigens für 60.000 anstatt für 100.000 pro Nase, wie es der Sohn der Besitzerin unserer letzten Unterkunft gütigerweise vorgeschlagen hatte. Die Nase.
Im Grunde sind wir wie vier Dollarzeichen, die an der Ecke stehend darauf warten abgeholt zu werden. Alsbald werden die Leute aufmerksam und es werden zwei Mopeds mit Beiwagen vorbeigeschickt. Da winken wir aber lieber ab, da es noch eine gute Stunde bis Kutacane ist und das auf so einem Bock doch arg aufs Sitzfleisch drücken kann. Wenige Minuten später kommt ein Pick-Up mit überdachter Ladefläche vorbei und nimmt uns für 20.000 pro Riecher mit. Es sollen auf Wunsch des Fahrers noch zwei kopftuchbedeckte Damen hinten bei uns mitfahren. Die sterben aber vor Scham bei dem Gedanken, neben zwei weißen Männern auf einem Pick-Up mitzufahren. Sie quetschen sich also in die Fahrerkabine. So ein unsittlicher Strolch bin ich doch nun auch wieder nicht.
Wir kommen in unserer Unterkunft “wisma sadar wisata” an. Aufgrund des günstigeren Preises checken auch die beiden anderen Deutschen mit uns ein, was kein Problem ist. Es handelt sich um ein großes Holzhaus, welches weiträumig ist und genau das ist, was man sich am Rande des Urwalds so vorstellt. Auch hier ist die ganze Familie vertreten, welches gerade dabei ist, das Zimmer des Sohnes neu zu streichen. Diesmal ist der Sohn aber von deutlich netter und sympatischerer Natur las der Letzte.
Am Abend regnet es in strömen. Es fing gegen sieben Uhr an und jetzt um 22:51 Uhr schüttet es immernoch. Ein feiner Vorgeschmack auf unser morgiges Abenteuer. Dieses umfasst zwei Tage und eine Nacht im Dschungel mit einem Führer. Urang Utans soll es zu Genüge zu sehen geben undzwar in wilder Natur und nicht in irgendeiner Futterstation. Alle weiteren Tiere sind optional und hängen vom Glück und Wetter ab. Ich bin sehr gespannt, denn sowas habe ich bisher noch nicht gemacht. Ich denke entweder es gefällt mir sehr oder ich werde es hassen. Nur ein Weg das herauszufinden. Ab gehts
Sumatra Rain

links vom Teich lag unsere Unterkunft

Eingang zum Haupthaus

23.04.2017

Heute morgen beim Frühstück gibt es dann die Lagebesprechung mit unserem Guide zu unserer zweitägigen Dschungeltour. Er ist ein Freund des Sohnes der Besitzerin des Gasthauses hier. Er ist ein junger Spund von 22 Jahren und, drahtig gebaut und immer ein Grinsen im Gesicht.
Am Mittag werden wir in einer Art Quartier am Fluss ankommen und uns am Nachmittag nochmal aufmachen, um die Tiere zu beobachten. Am zweiten Tag geht es dann am Vormittag zu heißen Quellen, um am Nachmittag bis Abend wieder zum Gasthaus zurückzukehren.
Also packen wir unsere kleinen Rucksäcke zusammen und räumen unser schlick eingerichtetes Blockhaus. Ein Schlafsack wird uns gestellt sowie grüne, hohe unmodisch aussehende Strümpfe. “Das sind Blutegelstrümpfe” wirft uns unser Guide grinsend entgegen. Die werden praktisch über Socken und Hose getragen, um die lästigen Blutsauger möglichst fernzuhalten. Na dann mal gut Glück.
Wir gehen zunächst die einzige Straße des Ortes entlang, um nach circa zwanzig Minuten in den Dschungel einzubiegen. Wir erhaschen bereits an der Straße einen Blick auf einen Urang Utan, welcher sich hoch in den Wipfeln über das Blätterdach schwingt. Im Dschungel, unserem zu Hause in den nächsten zwei Tagen, schlängeln sich kleine Pfade quer durch Dickicht. Es geht meist auf und ab über Steine, Wurzeln und kleine Flüsse. Die Luft ist feucht, warm und es weht nicht das kleinste Lüftchen. Es ist genauso, wie beschrieben.
Unser Guide geht vorne weg. Mein T-Shirt ist bereits nach 15 Minuten komplett nass, sodass ich es auswringen kann. Die Sonne scheint. Aber Ruth und Jana sowie Markus geht es nicht deutlich besser. Wir sehen eine Gruppe Thomas Leaf Affen (Thomas-Languren), welche eher gräulich sind und deutlich kleiner als die Urang Utnans. Sie sind meist in Gruppen unterwegs und deutlich flinker. Sehr spannend und interessant, sowas mal mit eigenen Augen zu sehen, auch wenn es bereits hundert Mal im Fernsehen kam.
Nach gut zwei bis zweieinhalb Stunden kommen wir dann in einem kleinen Lager am Fluss an. Es stehen zwei Zelte, welche im Grunde aus durchsichtiger Plastikplane bestehen. Zwei Feuerstellen zum kochen sind eingerichtet und ausreichend Leine zum Trocken wurde gespannt. Es sind schon ein paar wenige Leute da. Alles ist bei einer Lichtung am Fluss gelegen, um sich zu waschen und erfrischen sowie Wasser zum Trinken und kochen verfügbar zu haben.
Die Blutegelbilanz ist für mich und Ruth nicht so erfreulich, denn sie haben bei uns beiden zweimal zugeschlagen. Meiner hängt an auch noch fröhlich zappelnd und saugend unter meinem Bauchnabel. Der Guide macht kurzen Prozess und zieht das Ding raus. Da ist schon sehr ekelig und blutig, tut aber nicht weh und juckt auch nicht. Der andere hatte sich in meiner Kniekehle verbissen. Der Kollege hatte aber schon das zeitliche gesegnet. Aufgrund dieser Vorfälle baue ich meine Verteidigung aus. Die beiden kleinen Schlitze, welche am Reißverschluss zur Abtrennung des unteren Hosenteils sind, werden mit Pflasterband verklebt. Das T-Shirt wird nicht mehr außen getragen sondern in die Hose gesteckt, welche im Stil Hochwasser über dem Bauch mit meinem Gürtel festgeschnallt wird.
Zunächst aber steht ein Bad im herrlich erfrischenden Fluss an, vor dessen Strömung man sich jedoch in Acht nehmen muss. Einer der Guide dort in dem Camp, ein sehr verschwiegener aber freundlicher Bursche, kocht unser Mittagessen. Es besteht aus Bananen, sowie Nudeln mit Gemüse und Ei. Das schmeckt auch wirklich gut und alles wird über einer Feuerstelle mit einem Topf und einer Pfanne zubereitet.
Am Nachmittag gehen wir dann noch etwas in den Dschungel hinein und halten nach weiteren Primaten Ausschau. Neben einigen großen Spinnen und Käfern entdecken wir auch die kleinen Thomas Languren wieder sowie unseren Freund den Urang Utan. Diesem schauen wir dann am späten Nachmittag nicht nur bei seinen geschäftlichen Aktivitäten zu sondern auch wie er sein Nest für die Nacht baut. Urang Utans bauen sich jeden Nachmittag vor dem Sonnenuntergang ein neues Nest in der Nähe einer Futterquelle, bevorzugt Früchte. Das ist auch in zehn Minuten geschehen und der Affe hat einfach viele Äste eine Baumkrone zu einem stattlichen und weichen grünen Bett zusammengebaut. Gute Nacht Kollege.
Was wir leider auch hören, ist das Geräusch von Motorsägen und umfallenden Bäumen. Es bleibt zu hoffen, dass dies kontrolliert geschieht und sich nicht einfach ein paar Schlauberger illegal an Mutter Natur bereichern. Unser Guide meint, dass ja noch genügend Wald übrig sei für lange Touren mit den Touristen. Das zeigt leider auch seinen etwas begrenzten Horizont in dieser Hinsicht.
Auch die Spezies homo sapiens begibt sich auf den Weg zurück in ihr Nest. Es wird sehr schnell dunkel und das Grollen des Gewitters ist unüberhörbar, als wir noch draußen auf einer Decke unserem Abendessen beim Köcheln zuschauen. Wir gehen in das Zelt unseres Guides und des Kochs und harren der Dinge die da kommen.
Erstmal werden sehr romantisch und nützlich ein paar Kerzen rund um die beiden Zelte entzündet. In Ermangelung von elektrischem Strom die logische Alternative. Dann setzt der Regen ein, erst zaghaft, dann immer stärker werdend. Das weckt Begehrlichkeiten bei allerhand Insekten, welche uns in dem Zelt aufsuchen. Ein paar Mücken und Fliegen, denen kaum Beachtung geschenkt wird. Riesenameisen und Gottesanbeterinnen werden aus dem “Fenster”, einer offenen Seite des Zeltes, wieder nach draußen befördert. Priorität haben jedoch die Blutegel, welche sich ebenfalls zu der Feier versammeln. Ich erlaube mir eine kurze Beschreibung dieser Art von Quälgeist. Wer es nicht so mit Blutsaugern hat, möge den nächsten Absatz überspringen.
Es handelt sich um extrem kleine, urzeitliche und wurmartige winzig kleine Wesen. Zur Fortbewegung ziehen sie sich nach oben zusammen. Man könne sie fast übersehen, wären sie nicht so tückisch. Sie haften gut an Oberflächen und ziehen sich solange an ihrem Opfer nach oben, bis eine freie Stelle Haut gefunden wurde, egal welche. Dort wird dann das Blut abgesaugt. Davon bekommt man nichts mit, da die Tiere so klein sind und am Anfang ein lokales Betäubungsmittel absondern, damit der Einstich nicht bemerkt wird. Die Wunde kann stundenlang stark nachbluten.
Markus erwischt noch so ein Viech.
Neben diesen Unannehmlichkeiten schmeckt das Essen wiederum, wir unterhalten uns alle zusammen über Gott und die Welt und wechseln dann das Zelt um die Nachtruhe anzutreten.
Die ich vermeiden möchte, dass die kleinen Quälqeister mich an den unmöglichsten Stellen anzapfen, schlafe ich in T-Shirt und langer Hose mit Gürtel in einen Schlafsack eingemummt. Ich schwitze wie noch nie zuvor und komme erst bei Gedanken an Pinguine und den Nordpol in den Schlaf.
Selfies sind auch im Dschungel unverzichtbar

unsere Unterkunft, spartanisch aber regenfest
Versuch, einen Urang Utan festzuhalten
Abendessen 🙂
Gruppenphoto, das deutsche Pärchen zur rechten. Links “JFK” und in der Mitte unser Guide für die zwei Tage.
Ich lache, die Schildkröte nicht.

24.04.2017

Nachdem die Nacht zwar schwitzig aber doch im großen und ganzen recht gut verbracht wurde, strecken und recken wir vier uns in dem Zelt. Bis auf ein paar Mückenstiche sind wir von größerem Schaden verschont geblieben.
Nach der Stärkung geht es auf zu den heißen Quellen, welche etwa neunzig Minuten von unserem Lagerplatz entfernt liegen sollen. Doch erstmal muss der Fluss überquert werden, was aufgrund der Strömung dich schon eine Herausforderung darstellt. Für unseren erfahrenen Guide ist das natürlich kein Problem, selbst wenn er sich durchgehend eine beträchtliche Menge Gras reinpfeift. Doch auch die Stadtmenschen schaffen die Stromschnellen zu überqueren und nach einem recht kurzen aber intensiven Marsch über Stock, Stein und Wurzel kommen wie an einem kleinen, weiteren Zeltlager an, welches an den heißen Quellen liegt. Jene haben uns am Ende des Weges schon heiß und dämpfend empfangen.
Ein paar mitgebrachte Eier werden an einem heißen Zufluss unter der Erde einfach zwanzig Minuten ins Wasser gelegt und schon hat man ein paar gekochte Eier. Man muss sich nur zu helfen wissen.
Ein entspanntes Bad im Fluss ist nach einem anstrenden Marsch durch nichts zu ersetzen. Als wenn Mutter Natur bereits daran gedacht hätte.
Wir machen uns kurz darauf wieder auf zurück ins Lager, wo nach dem Mittagessen noch ein paar Abschiedsphotos geschossen werden. Ein anderer Guide kommt noch beim Essen zu uns über und nachdem Ruth sich als Irin ausgab, packte er noch eine mitreißend menschliche Geschichte aus, welche aber an anderer Stelle erzählt werden soll.
Auf dem Rückweg zu unserer Unterkunft sehen wir noch einen weiblichen Urang Utan und ihr kleines Junges. Der Nachwuchs sitzt auf einem Zweig auf einem Nebenbaum und gibt klagende Laute von sich. Es hat die Hose voll und schreit nach der Mutter. Diese kommt zielgerichtet aber gemütlichen Ganges zu dem Kleinen herüber. Urang Utans sind aufgrund ihres Gewichtes in den Wipfeln selten schnell unterwegs.
Dann finden beide wieder zueinander und auf den Weg zum Nestbau schafft die Mutter eine Brücke zwischen den Ästen zweier Bäume für den Nachwuchs. Ganz schon gewieft unsere Vorfahren.
An der Straße zurück fahren Einheimische hupend vorbei und bestaunen uns, während wir die letzten Urang Utans beobachten. Affen kann man dort jeden Tag sehen aber Europäer sind was Ausgefallenes.
Zurück am Gasthaus wird uns noch das Abendessen serviert. Egal was man bestellt, es fährt immer kurze Zeit später jemand auf dem Roller los und besorgt die Zutaten. Frisch auf Bestellung.
Ein kurzes Resümee der ganzen Dschungeltour. Es war auf jeden Fall interessant und eine spannende Erfahrung. Auf der anderen Seite waren auch die Hitze und die Blutegel. Doch es hat sich gelohnt, auch wenn ich so etwas wohl in nächster Zeit nicht mehr widerholen muss.
Wer auf die echte Naturerfahrung steht, ist hier richtig. Wer Angst vor andersartigen Tieren hat, der sollte woanders Ausschau halten.