18.01.14
Genau wie beim letzten Mal beginnt mein Tagebuch während ich die Filmmusik zu “Motorcycle Diaries” höre. Diesmal weiß ich jedoch zumindest schon mal wo “Ushuaia” liegt aus dem gleichnamigen Lied des Soundtracks. Ich bin sehr aufgeregt, froh und dankbar, nochmals eine ferne Reise ganz nach meinem Geschmack zu unternehmen. Ich hoffe, dass auch diesmal wieder tolle Erlebnisse, Abenteuer, Unvorhergesehenes und vor allem freundliche Menschen auf mich warten.. Im Gegensatz zu Kuba werden jedoch ein paar Änderungen eingeführt: Rucksack statt Koffer, Bus statt Auto und mehr Gestaltungsfreiraum bei der Reiseroute. Es wird in Bogota angefangen und dann Land und Leute Richtung Norden und somit Küste erkundet. Einmal ist Kolumbien recht groß. Dann liegen auch noch ein paar interessante Länder drumherum. Hauptgrund ist jedoch, dass es in Kolumbien nicht so viele Orte gibt, wo ich auf jeden Fall hin muss. Auch deswegen, weil ich mich mit der Geschichte des Landes bei Weitem nicht so gut auskenne wie mit der Kubas. Es gibt zwar einen detaillierten Plan, typisch deutsch, der wird aber nur als grobe Orientierung und nicht als Leitfaden dienen.
Um mal zu etwas praktischeren Tatsachen zu kommen, befinde ich mich gerade gerade so ziemlich mitten über dem Atlantik auf 10.000m Höhe. Das Einchecken bei American Airlines hat schon mal eine Stunde gedauert und das bei überschaubarem Andrang. Meine Vermutung sollte bestätigt werden, als das Verhör begann. In dieser Reihenfolge und mit steigendem Grad der Absurdität flogen mir folgende Fragen anklagend um die Ohren: Was ist ihr Reiseziel? Was machen Sie in Miami? Was machen Sie in Kolumbien? Wie ist Ihre Adresse in Miami? Wie ist Ihre Anschrift in Kolumbien? Wann wurden die Koffer gepackt? Wo? Wer war dabei? Was ist seitdem mit dem Koffer passiert? Wann haben Sie ihn gekauft? Wo? Welche elektrischen Geräte haben Sie dabei? Wie alt sind diese? Wann gekauft? Wo? Und mein Favorit…Wann war ihre Spiegelreflexkamera zuletzt in der Reparatur? Alles nach den ersten drei Fragen fällt meiner Meinung nach in die Kategorie “Dat gehtse jawohl nen feuchten Kericht an, woll?” Nach dem Motto “freundlich Lächeln…” haute Sie dann am Ende noch einen raus:”Da müssen Sie sich jetzt aber beeilen!” Wäre ich nicht schon im Urlaubsmodus gewesen, wäre mir gegen Ende noch locker die Hutschnur geplatzt. Dann ging es zur Security und zur Passkontrolle. Der Sicherheitscheck dauerte freundliche 2 Minuten. Die Beiden an der Passkontrolle müssen wohl schon gutes Zeug von den Zollkollegen geschmissen haben, denn Sie empfingen und verabschiedeten mich mit Gelächter. Sahne! Dem Typen beim Boarding dann noch bestätigt, dass ich auf den letzten 200m keinen Schnee gekauft habe und schon hat mich die Boeing empfangen. Ohne Schnickschnack wie Bildschirm oder USB-Strom. Dagegen steht, dass mein Nebenplatz frei ist und ich die Füße hochlegen kann. In Chicago geht das Verhör dann weiter. Dann aber zum Glück auf Englisch. Damit es nicht langweilig wird. Zur Einstimmung wird jetzt das Formular für die amerikanische Zollbehörde ausgefüllt. In Chicago hat mich der freundliche Mann vom Grenzschutz dann wie erwartet ordentlich auseinander genommen. Er konnte meiner Begeisterung alleine, ohne Bargeld, privat und mit dem Rucksack nach Bogota zu fliegen nicht ganz folgen. Ich nehme es ihm nicht übel. Nach Drogenhund, eingehender Befragung und kompletter Durchsuchung war er allerdings auch mit seinem Latein am Ende. Hinzufügen muss ich, dass die Beamten zwar immer sehr gründlich und genau sind, aber nicht unfreundlich oder unfair. Der Flug nach Miami war zum Glück nicht so lang, auch wenn es aufgrund der eisigen Temperaturen länger dauerte, den Vogel startklar auf die Piste zu stellen. Auch dieses Flugzeug war ne alte Mühle…erfahren wenn man nett sein will. Inflight Entertainment oder Stromanschluss war nicht drin. Dafür hat die U.S.-Amerikanerin neben mir ca. 10 Mal ihren Hut fallen lassen. Man konnte die Uhr danach stellen. Gegen halb 8 auf Miami anfliegend bot die Stadt ihren vollen Lichterglanz auf. Atemberaubend. Hier fasste ich auch den Entschluss, mir mit dem Taxi eine Unterkunft zu suchen. Zumal ich meinen Rucksack auch noch abholen musste und keine Hotelreservierung hatte, verzichtete ich hier auf den Bus. Ab in die Taxe und in die Nacht von South Beach. Freie Zimmer waren jetzt nicht so im Überfluss da. Im dritten Hotel (Astor) nahm sich der Rezeptionist meiner an und telefonierte ein wenig herum. Das Jazz Hotel auf Collins Ecke Dritte Straße für 30$ + Steuern. Ich sagte zu, dankte und machte mich auf den Weg. Die Lobby war bereits voll mit vollen Leuten. Kreditkarte durchgezogen und hoch zum Vierbettzimmer. Sagen wir mal die 30$ gehen für die Lage in Ordnung, nicht für den Zustand. Nach einen kurzen Einkauf bei CVS ging es dann ab in die Falle. Aufgrund der lauten Klimaanlage und Nachbarn, des quietschenden Bettes und der hauchdünnen Bettdecke war die Nacht kurz und wenig erholsam. Meine drei französischen Zimmerkumpanen ging es aber auch nicht besser. Wie sie hier zwei Wochen verbringen konnten, ist mir schleierhaft. Ich hoffe das nächste Hostel wird chilliger.
19.01.14:
Sonntag morgen 8:00 Uhr und schon mit dem Frühstück fertig. Ich wüsste nicht, wann ich das zuletzt geschafft hätte. Zudem habe ich bereits nach Bogota eingecheckt 🙂 Dann reicht es mir aber auch erstmal mit dem Fliegen und Anstehen und TSA und so. In einer guten Stunde geht es dann ab nach Kolumbien. Auch der dritte Flug von Miami nach Bogota sollte in die Kategorie : alte Mühle aber 2 Sitzplätze fallen. Es waren aber auch ein paar andere Plätze frei. Man merkte bereits im Flugzeug, dass hier nun endgültig niemand mehr englisch sprach inkl. Boardpersonal. Also wurde nun offiziell umgestellt zu Spanisch als erstem Mittel der Konversation. In Bogota angekommen, ging alles angenehm flott. Die Immigration war ein Segen im Vergleich zu den Kollegen im Norden. Theoretisch sollte in der Nähe ein Bus Richtung Candelaria (Ortsteil von Bogota) fahren. Zunächst wurden 300.000 Pesos ( gut 100€ ) gezogen und sich dann auf die Suche nach Transport begeben. Aber auch umstehende Mitarbeiter konnten mir nicht recht helfen. Nach etwas hin und her hab ich dann doch das Taxi genommen, da ich mit dem Bus auch noch einige Blocks hätte laufen müssen bei dünner Luft und Sonnenschein. Der Taxifahrer war sehr nett, auch wenn er mich preislich wie zu erwarten über den Tisch gezogen hat. Er pries seine Stadt an und vor allem “yerba y putas”…also Gras und Nutten. Bei der Nachfrage, ob die Info aus erster Hand stamme lächelte er und bejahte zufrieden und stolz. Man versteht die Leutchen hier wenigstens schonmal ne ganze Ecke besser als damals die Kubaner. Vielleicht ist mein Spanisch auch etwas besser geworden oder vielleicht beides. Die Einrahmung der Stadt in die malerischen Berge ist schon ein toller Anblick. Am Ziel angekommen, an einer sehr steilen Straße am Berghang, wünschte er mir noch eine tolle Zeit hier. Der erste Eindruck des Hostels war gegenüber dem in Miami eine glatte Offenbarung. Ruhig, gelassen, funktional aber gut eingerichtet. Lady empfing mich, was hier den Namen der diensthabenden Dame beschreiben soll. Nett, ruhig und gutaussehend. Nach meinem Geschmack. Nach einer kurzen Einführung und der Feststellung, dass hier die Matratze nicht quietscht, habe ich noch kurz mit einem Chilenen geplaudert, bevor ich einen Blick in die Stadt riskierte. Trotz meiner kompletten Müdigkeit konnte ich nicht widerstehen. Die Innenstadt war laut, voll und lebendig. Leuten boten Waren aller Art feil und am Hauptplatz proklamierte ein dicker, auf ein Fahrrad geschnallter, Lautsprecher, wer doch dem Gusto des Besitzers nach dieses Jahr die Präsidentschaftswahlen gewinnen solle. Ich habe dann noch ein paar Sachen im 24/7 Supermarkt gekauft, da mich der Hunger plagte. Nach einem Bierchen legte ich mich hin, kam jedoch nicht zur Ruhe. Abends dann gönnte ich mir eine dusche und einen neuen Schub Kleider inkl. Rasur. Das kann schon was. Ich hoffe diese Nacht wird besser. Morgen soll es hochgehen zum Monserrate (Hausberg) und vielleicht noch ein wenig mit der Kamera in die Stadt. Ganz nach Lust und Laune.
20.01.14:
Nach einer deutlich besseren Nacht machte ich mich dann auf zum Frühstück, welches inklusive ist. Das war allerdings eher die „do it yourself“ Variante in der Küche als denn eine Form von Buffet. Trotzdem gab es einen schwarzen Tee mit ein paar gerösteten Toasts aus der Pfanne. Nach dem frisch machen ging es dann ab Richtung Monserrate. Der Weg führte durch einige steile Straßen letztendlich zur Station der funicular, welche bis 12 uhr im Einsatz ist. Das ist eine relativ steile Angelegenheit und ist im Grunde eine Schienenbahn, die aber in wenigen Minuten 500 Meter Höhe schafft. Der Ausblick macht die Anstrengung aber mehr als wett. Auch wenn die Luft hier nochmal ein wenig dünner ist, so ist sie doch im Vergleich zu Bogota angenehm frisch und rein. Ein kleiner Garten, eine Kirche sowie Verkaufsstände runden das Angebot ab. Nach ausgiebiger Besichtigung ging es dann mit der ab 12 Uhr fahrenden Seilbahn „ferrocaril“ wieder nach unten. Dann weiter auf Schusters Rappen ins Zentrum, wo auch das am Montag geschlossene museo del oro (Goldmuseum) residiert. Dann ging es auch erstmal wieder zurück zum Hostel, um eine Pause einzulegen. Nachmittags machte ich mich dann nochmal auf zum naheliegenden museo botero. Der Namensgeber Fernando Botero ist berühmt für das Malen und Abbilden fetter Menschen. Das Museum ist wirklich groß und ich habe 2 bis 3 Stunden gebraucht um mir alles anzuschauen. Es ist vieles dabei, was sich grundlegend mit Kunst umschreiben lässt sowie den Werdegang des Geldes in Kolumbien seit 1800 nochwo. Auf den Rückweg wurde noch was zu Essen aufgegabelt und dann ein wohlverdientes Bier geöffnet. Dabei hatte ich es mit zwei Chilenen samt Kind, einem Brasilianer und zwei Kolumbianern zutun. Sagen wir mal so…ich hatte meine Mühe, konnte aber trotzdem gut mitreden und meine Sprachkenntnisse zum Besten geben. Es ging grundsätzlich um Gott und die Welt: Autobusse in Bolivien, chilenisches Vinyl aus den 60ern sowie die Politik von Uribe und Santos (Präsidenten des Landes). Mein Gehirn raste eine Meile in der Stunde. Als es dann kurz zur Besinnung kam, ging es dann doch mal ins Bett, wo ich ja morgen diese Salzkathedrale in Zipaquira sehen möchte. Inzwischen bin ich auch ein wenig “angekommen”.
21.01.14:
Die Nacht habe ich halbwegs gut geschlafen. Ich wurde jedoch gegen späten Abend etwas unsanft geweckt. Aber das war es wert und das soll bei mir schon was heißen. Ein Bewohner kam rein, machte das Licht an und nahm seine Kontaktlinsen raus. Soweit so normal. Im Zimmer war zudem Zeitpunkt außer mir nur eine weitere Frau. Diese war direkt in voller Fahrt und beschimpfte ihn übelst, was ihm denn einfalle sich so eine Dreistigkeit zu leisten. Er wusste nicht wie ihm geschah und versuchte die Lage zu deeskalieren. Da er aber nur spanisch spricht und sie nur englisch, führte das nicht gerade zur Entspannung der Lage. Ich habe zunächst darüber nachgedacht mich als Vermittler einzuschalten, aber es gab ja eigentlich auch nichts zu erklären an der Lage. Beachtlich ist, dass sie hier bereits 6 Monate wohnt und arbeitet. Jedenfalls wechselte er in der nächsten Nacht die Linsen im Hof.
Zurück zum eigentlichen Tag: nach dem Frühstück ging es dann darum, das örtliche Bussystem mal anzutesten, auf welches ich mich hier ja die nächsten Wochen verlassen muss. Also das Ganze ist ungeheuer effektiv, oft sehr voll und zu guter Letzt günstig. Man muss bloß wissen, welche Nummer man zu nehmen hat. Da das Ziel die zalzkathedrale in Zipaquira war musste ich also mit dem b74 zum Nordterminal, dann weiter mit einem flota genannten Kleinbus und zurück mit der j23. Aber wenn man keine Ahnung hat fragt man einfach. Einen Mitarbeiter dort oder einfach Irgendjemanden. Zipaquira selbst ist ein netter Ort, wo sich erstmal gestärkt wurde. Reis mit Huhn und Pommes sowie Bohnen mit ner Pepsi. Für 4 Euro und von der Portion hätte noch jemand satt werden können. Zur Kathedrale inmitten einer Salzmine ging es dann auf Schusters rappen in voller Sonne. Dafür gab es gratis Frischluft und lokales Flair. Meinen Sonnenbrand auf der Nase hats nicht gefreut aber einen Tod muss man halt sterben. Bei der Kathedrale bin ich zwiegespalten. Sehr eindrucksvoll…schön kühl und von beschaulicher Größe, auch wenn sich mir der sinn des Ganzen nicht erschloss. Vielleicht liegt es auch einfach an meiner Religionsverdrossenheit. Mein eigentliches Problem war aber das Ende der Tour, welche in endlosen Geschäften, Cafés und einem Haufen Nippes endete. Inklusive einer geschmacklosen und zusammenhangslosen Deckenlichtershow. Wir sind übrigens immer noch mitten in der Salzmine. Danach ging es nun halbwegs geübt mit dem Bus wieder zurück zum museo de oro oder Goldmuseum. Und heute in der geöffneten Variante. Ein guter Euro und ein Lächeln verschaffen Zutritt. Wie erwartet gibt es einen Haufen Gold zu sehen. Durchweg gut strukturiert für meinen Geschmack mit den verschiedenen Epochen und unterschiedlichen Schwerpunkten. Bis auf die wechselnde Ausstellung in den unteren Geschossen auch alles auf Englisch. Eine willkommene Erholung für meine grauen Zellen. Auf dem Rückweg noch in den Supermarkt und für den Abend wappnen. Abends gabs dann neben einer Email an meine geliebten Eltern wiederum anregende Gespräche über alles und nichts. Es diente einerseits der Zerstreuung und anderseits hat mich die Geschichte der Schwester eines Brasilianers über Teufelsaustreibung schon leicht zum schmunzeln gebracht. Es war eigentlich eher ernst für ihn, aber ich kann solchen hokus pokus einfach nicht für bare Münze nehmen. Wie dem auch sei…als das Bier leer war gingen alle ins Bett. Ganz einfach. Die Nacht sollte bis auf ein paar Spätankömmlinge ruhig und erholsam verlaufen. Mittlerweile habe ich mich hier besser eingelebt und schlafe auch tief und fest. Morgen geht es dann zur nächsten Station nach Villa de Leyva. Um ein Zimmer muss sich morgen noch gekümmert werden. Aber dann ist ja auch noch ein Tag.
22.01.14:
Beim Frühstück wurde erst einmal der mir am Monserrate aufgeschwatzte Coca Tee heiß aufgegossen. Er schmeckte im Vergleich zu den anderen Optionen im Hostel hier recht gut. Zudem wurde ihm laut Verpackung direkt ein ganzer Schwung guter Wirkungen zugeschrieben. Unter anderem auch Milderung bei Höhenkrankheit und Vitalisierung. Na zumindest Zweiteres kann ich morgens immer gut brauchen, zumal ich den schwarzen Tee hier in den letzten beiden tagen auch platt gemacht hatte. Der Vormittag verlief unaufgeregt bis fahrig. Ich habe gelesen und im Innenhof zugeschaut, wie sich die Leute nach dem Frühstück auf den Weg machten. Ich hatte keine Eile, aber wann habe ich das schon. Im Laufe des Vormittags habe ich dann auch ein Zimmer in Villa de Leyva bekommen. Für 15.000 Peso (6 Euro) hörte es sich gut an. Sogar eine Karte bekam ich ausgedruckt. Nachdem das Buch ausgelesen und flüchtige Bekanntschaft mit einer Bayerin und einem kölschen Jungen gemacht wurde, packte ich meine sieben bis acht Sachen und machte mich auf den Weg. Vom örtlichen Busterminal aus ging es zum terminal del norte und von dort aus weiter mit einer flota (Kleinbus) nach Villa de Leyva. In vier Stunden ist man dort. Auf dem Weg gibt es Beeindruckendes wie Landschaft und Holpriges wie fiese Geschwindigkeitsbuckel, wo die Federung unter dem Bleifuß des Fahrers ächzte. Er fuhr einen guten Gummi aber jetzt auch nicht waghalsig. An strategisch wichtigen Punkten wie zum Beispiel Brücken standen immer ein paar Jungs mit der dicken Puste, die den Daumen hochhielten. Wohl um zu signalisieren, dass die Luft rein. Der Frieden will halt verteidigt werden. Gut so!