Einleitung

“Namibia, fucking hell”

Nun muss man diese spontane Wertschätzung meines diesjährigen Reiseziels etwas genauer einordnen. Diese Worte sind dem Herrn Taxifahrer entsprungen, der uns in Irland von unserer Wohnung zum Flughafen gebracht hat. Hierzulande haben Taxifahrer eine etwas raue Art und Ausdrucksweise, welche manchen Leuten auch etwas zu direkt sein mag.
In jedem Fall hatte ich wieder mal das drängende Gefühl zu entfliehen. Möglichst weit weg und gerne auch am Arsch der Welt. Naja sagen wir eher abgeschieden und abenteuerlich, wir wollen ja nicht in die Mundart des Taxifahrers verfallen. Es ist nun nicht so, dass ich mein Alltagsleben nicht genießen würde. Ich lebe gerne in Dublin, gehe gerne zur Arbeit und lebe gerne mit meiner Frau zusammen. Nur ab und zu muss ein Urlaub her. Ich kenne Leute, die Urlaub nur unter Androhung von Strafe und Peitschenhieben antreten und selbst dann mit dem Laptop von zu Hause arbeiten und immer ein Auge auf ihre E-Mails haben. Ich finde das bewundernswert aber zugleich auch sehr befremdlich, da ich das nun so garnicht nachvollziehen kann.
Es fühlt sich an, als sei in letzter Zeit relativ viel passiert und das ist auch nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Mal abgesehen von der Hochzeit im letzten Jahr habe ich auch nach meinem letzten Ausflug nach Spanien eine neue Stelle auf der Arbeit angenommen. Es ist immernoch der gleiche Arbeitgeber amazon, aber ich bin von der lokalen IT zur fluffigen Wolke gewechselt und sehe nun zu, dass es eben jener auch gut geht. Die Stelle hat genau die Herausforderung mit sich gebracht, die ich mir so gewünscht hatte. In dem Fall sind es also ganz klar die Geister die ich rief. Aber es bedeute halt auch sehr viel Mühe sich in die neue Technik einzuarbeiten und mit den neuen Kollegen warm zu werden. Aber da brauche ich eh immer eine längere Aufwärmzeit als die Meisten. Von daher war es jetzt auch sehr nett nach gut sechs Monaten sagen zu können, dass ich jetzt mal drei Wochen nicht verfügbar bin und das Telefon auszuschalten.
Drei Wochen sind nicht viel. Wenn ich bedenke, dass es nun wieder bereits April ist. Die Zeit steht nicht still. Aber andererseits ist es auch sehr viel Zeit, wenn man sich Zeit lässt.
Es war wohl bei meinem ersten Ausflug nach Afrika 2017, als sich mein Schleier dieses Kontinents erstmals vorsichtig lüftete. Damals war ich zwei Wochen mit der Arbeit in Kapstadt. Vorher war es nur ein für mich relativ unbekannter und auch uninteressanter Kontinent, welcher in den Nachrichten meist nicht gerade mit den besten Schlagzeilen versehen wird. Aber gut, die erzählen ja auch nicht immer unbedingt die Wahrheit. Mein erster Eindruck von dem Kontinent war die immense Größe. Der Flug von London nach Kapstadt dauerte über elf Stunden, wo mein europäischer Verstand vorher annahm, dass es doch mit sieben oder acht Stunden getan sei. So weit hinter Spanien kann es dann doch auch nicht liegen. Wie man sich vertun kann. Jedenfalls wusste ich damals, dass ich wiederkommen würde. Und der Zeitpunkt ist jetzt. Obwohl ich vorher nichtmal den Namen der Hauptstadt Windhoek kannte, hat sich nach der Recherche doch herausgestellt, dass ich mit dem Land schnell warm werden könnte. Und dass nicht nur wegen dem Klima, was nicht nur warm aber auch recht trocken ist. Es war ein Photo von einer Straße, welche aus einer Mischung aus braunen Schotter und Sand bestand, nach links und rechts nur die Sandwüste sichtbar und am Horizont nicht als schiere Weite. Es löste etwas in mir aus was mir klar machte, “Tobias, da musst du hin”. Das Unbekannte, die Freiheit, die Unbarmherzigkeit des Klimas, die Leere, das Abenteuer, der Erkundungsdrang, die Stille. Ja ich denke es war mir auch wichtig, dass es nicht irgendein vollgebautes Land ist, wo die Luft zum atmen fehlt. Als ich laß, dass es nach der Mongolei das bevölkerungsärmste Land sei, fing ich an nach Flügen zu suchen. Zudem als eine der wenigen ehemaligen deutschen Kolonien dürfte es besonders für mich noch so die ein oder andere Überraschung im Ärmel haben.
Der bisherige Plan ist, naja, überschaubar. Ich fliege mit meiner Frau Ruth nach Windhoek, der Hauptstadt Namibias, wir mieten dort einen Geländewagen mit einem Zelt und fahren dann los.  Um die Richtung machen wir uns dann später Gedanken. Das sind alles Details.
Ich bin auch sehr gespannt wie es ist, ein paar Nächte im Zelt zu verbringen. Dabei bin ich mir schon bewusst, dass Namibia etwas anderes ist als ein Reggaefestival was das Campen angeht. ich hoffe, dass es ähnlich entspannt ausfallen wird.
Um auch die örtliche Fauna ausreichend bestaunen zu können, habe ich mir vorab einen kleinen Feldstecher und ein Buch zur Einordnung der Gattungen und Spezies zugelegt. Ganz in der Hoffnung, dass ich weniger wie ein weißer, reicher Großwildjäger sondern mehr wie ein interessierter Naturbursche aussehe. Das wird sich dann herausstellen.
Mein Hauptaugenmerk wird aber darauf liegen, die drei Wochen nicht als Zeit zu sehen, welche einzuteilen und auf Aktivitäten zu verteilen ist sondern als Zeit zum Leben. Wer mich kennt weiß, dass ich generell nicht der Schnellste bin sondern eher der Gemütliche. Damit mich nicht auf lange Sicht der Wahnsinn ereilt, muss ich die Geschwindigkeit meiner Umgebung so gut als möglich der Meinigen anpassen. Das ist auf der Arbeit freilich nicht immer so leicht. Die bezahlen mich ja nicht, damit sie mir beim Tippen die Nägel schneiden können, sondern damit ich ordentlich in die Tasten haue. Also wird im Urlaub dann logischerweise einen Gang zurück geschaltet. Auch wenn die Gangschaltung ganz wörtlich gesehen diesmal eine Herausforderung darstellen könnte, da ich noch nie einen Geländewagen mit Vierradantrieb gesteuert habe. Aber mit Geduld geht alles.
Und somit schaue ich äußerst gespannt und erfreut auf meine kommenden drei Wochen, und hoffe dass es nicht wie vom Taxifahrer vermutet die Hölle, sondern ein entspannter und lustiger Ausflug wird.
Wir immer werden die Aufzeichnung möglichst zeitnah vor Ort erfolgen und sind somit mehr als Erlebnisbericht als denn als rückblickende Reflektion zu verstehen.
Ich befinde mich gerade im Landeanflug auf Madrid, wo ich nach kurzem Aufenthalt weiter nach Addis Ababa fliegen werde um dort nach Windhoek umzusteigen. Das ganze passiert mit Ethiopian Airlines, was auch die Antwort auf die Frage ist, was Addis Ababa ist.
Ich melde mich dann vor Ort wieder, sobald wir Quartier in der Hauptstadt bezogen haben mit ersten Meldungen, wie die Akklimatisierung vonstatten geht.